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GEWALT DROGEN EXTREMISMUS - Thillm

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gegangen sind. Zentrales Anliegen aller Aktivitäten ist in jedem Falle die Schaffung von Gemeinschaftserlebnissen.<br />

Zu diesen identitätsstiftenden Erlebnissen mit hoher Öffentlichkeitswirksamkeit<br />

gehört im übrigen auch die rituelle Anmeldung von Demonstrationen und Kundgebungen.<br />

Jede Anmeldung ist zunächst ein propagandistischer Akt mit hohem Wirkungsgrad. Da die<br />

Durchführung derartiger Aktionen oft an hohe ordnungsbehördliche Auflagen gekoppelt ist, sind<br />

der Selbststilisierung rechtsextremistischer Führungskader als „Opfer der politischen Zustände“<br />

und der Stärkung des „Wir-Gefühls“ der Szene zudem gute Rahmenbedingungen eröffnet.<br />

Dass man sich bei all der zumindest vordergründig gelebten Fundamentalopposition oft in<br />

bewussten Kontrast zu Gleichaltrigen und Älteren setzt und durchaus ambivalente Reaktionen<br />

provoziert, ist ebenso unausweichlich wie einkalkuliert. Nicht zuletzt befördert dies auch die<br />

Selbstwahrnehmung der Szene als Märtyrerbewegung: längst zählt man sich als Szeneangehöriger<br />

zu dem Häuflein der letzten Aufrechten, das die Fackel des „wahren Deutschtums“ unbeirrt durch<br />

den Sturm der Zeit mit ihren Irrungen und Wirrungen trägt.<br />

Zur praktischen Kommunikation ihrer Ideologie in die Reihen potentieller Interessenten nutzen<br />

Rechtsextremisten dabei bewusst Bereiche, die seit jeher jugendkulturell ausgeformt sind, z. B.<br />

Musik, Habitus (Outfit, Accessoires, Frisur), spezifisches Freizeitverhalten und seit einiger Zeit<br />

auch die „Neuen Medien“. 6<br />

3 Die rechtsextremistische Jugendszene in Thüringen<br />

a Neonazis<br />

Neonazis fordern die Wiedererrichtung einer Staatsform und die Reimplementierung einer „reinrassigen<br />

Volksgemeinschaft“, die dem Programm der historischen NSDAP von 1920 entsprechen.<br />

Sie orientieren sich dabei ideologisch sowohl am 25-Punkte-Programm der NSDAP als auch an<br />

Hitlers Buch „Mein Kampf“. Dabei propagieren sie einen totalitären Staat auf der Grundlage<br />

des Auslese-, Elite- und Führerprinzips, das im Wesentlichen biologisch und rassistisch determiniert<br />

wird. Da sie sich als Bannerträger der in ihren Augen nie untergegangenen NS-Bewegung<br />

betrachten, verlangen sie zudem die Wiederzulassung der NSDAP als ersten Schritt zur angestrebten<br />

Neugründung des (Vierten) „Deutschen Reiches“. Dass dieses „Reich“ die ehemaligen<br />

deutschen Ostgebiete, Österreich sowie – je nach persönlicher Ambition des Fordernden – noch<br />

weitere vormals deutsche bzw. germanische Siedlungsgebiete zu umschließen hat, versteht sich<br />

bei diesem ausgreifenden Verständnis von Geopolitik fast von selbst.<br />

Wenngleich Neonazis hiermit einen vergleichsweise hohen Ideologisierungsgrad unter<br />

Rechtsextremisten besitzen, sollte man die qualitative Ausprägung ihrer Gesinnung jedoch auch<br />

nicht überschätzen: selbst Neonazis verfügen trotz umfangreicher Schulungsbemühungen oft<br />

nur über rudimentäre Kenntnisse des historischen Nationalsozialismus. So wollen sie, wenn sie<br />

sich auf nationalsozialistische Führungsfiguren, Riten und Symbole beziehen, häufig nur deren<br />

außerordentlich hohen Provokationswert zur Kommunizierung ihrer Anliegen nutzen.<br />

Nichtsdestotrotz verstehen sich Neonazis aufgrund ihrer ausgeprägten Aktionsbereitschaft<br />

nicht ganz zu Unrecht als geistigen Motor bzw. kämpferische Avantgarde der rechtsextremistischen<br />

„Bewegung“. Diese gesteigerte Mobilisierungsfähigkeit der Neonaziszene erklärt auch die<br />

Tatsache, dass führende Aktivisten aus ihren Reihen regelmäßig für neonazistische Veranstaltungen<br />

und Demonstrationen im Freistaat verantwortlich zeichnen. Diese Szeneevents, die unter variierenden<br />

Mottos sowohl aus tagespolitischen Anlässen als auch im Rekurs auf historische Ereignisse<br />

der jüngeren deutschen Geschichte stattfinden, führen über ideologische und programmatische<br />

Schnittmengen neben Angehörigen des „nationalen Widerstandes“ – so die Selbstbezeichnung<br />

der Szene – immer wieder auch Skinheads und vereinzelte NPD-Mitglieder bzw. deren Umfeld<br />

zusammen. Folglich kommt ihnen für das gemeinsame Bekenntnis bzw. eine strömungsübergreifende<br />

Identität der Thüringer Rechtsextremisten eine maßgebliche Integrationsfunktion zu.<br />

6 Vgl. in der Quintessenz auch Fahr, Margitta-Sybille: Spirit of 88 – Rechtsextreme Zeichen und Symbole;<br />

hrsg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen; 3. Auflage 2002; S. 9f<br />

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