forschungsbericht 1998 - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...
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106 Forschungsbericht der WiSo <strong>1998</strong><br />
Die in Gang gekommene politische und öffentliche Diskussion wird von Stimmen dominiert, die eine<br />
zunehmende Ungleichverteilung der Vermögen in der Bundesrepublik konstatieren. Schlagwörter wie<br />
„die Kluft zwischen Arm und Reich wächst“ oder „die Spaltung der Gesellschaft nimmt immer besorg-<br />
niserregendere Formen an“ prägen die öffentliche Debatte. Gleichwohl besteht über die Richtung der<br />
Verteilungsänderungen kein Konsens. Unscharfe Begrifflichkeiten fördern die kontroverse Diskussion.<br />
In der Literatur liegen häufig unterschiedliche Vermögensabgrenzungen zugrunde, teilweise werden<br />
die Begriffe Vermögen bzw. Vermögenseinkommen miteinander vermengt. Begünstigt wird diese<br />
Entwicklung durch die Vernachlässigung dieses Problembereiches in der volkswirtschaftlichen Litera-<br />
tur in theoretischer, vor allem aber auch in empirischer Sicht. Untersuchungen zur Verteilung der<br />
Vermögen beschränken sich meist auf Zeitpunktbetrachtungen; zudem erfolgen diese Studien häufig<br />
nur wenig zeitnah. Aufbauend auf die so abgeleiteten empirischen Erkenntnisse folgt meist eine Be-<br />
wertung vermögenspolitischer Maßnahmen, die auf allenfalls rudimentär konkretisierten Gerechtig-<br />
keitspostulaten fußt, und daraus dann eine entsprechende Ableitung von Reformansätzen.<br />
Diese insgesamt unbefriedigende Situation führt unmittelbar zur Formulierung der drei Hauptziele des<br />
Forschungsprojekts:<br />
1. die Determinanten der personellen Vermögensverteilung offenzulegen,<br />
2. die Entwicklung der Verteilung der Vermögen in der Bundesrepublik im Zeitablauf nachzuzeich-<br />
nen und<br />
3. die Bedeutung der staatlichen Vermögenspolitik innerhalb dieses Prozesses zu analysieren.<br />
Eine Beantwortung der aufgeworfenen Fragen setzt zunächst eine Abgrenzung des Untersuchungs-<br />
gegenstandes in mehrfacher Hinsicht voraus. Bereits bei den Grundlagen des Vermögens, der Ver-<br />
mögensverteilung und der Vermögenspolitik stößt man auf methodische Schwierigkeiten, den Unter-<br />
suchungsgegenstand zu definieren. Erschwert wird eine solche Abgrenzung durch die engen Wech-<br />
selbeziehungen zwischen Einkommen und Vermögen, die sich analytisch nicht exakt trennen lassen,<br />
aber auch durch einen Trade-Off zwischen theoretischen Erfordernissen an den Vermögensbegriff<br />
und den empirischen Möglichkeiten zur Ermittlung des Vermögens. Eine weitgefaßte Abgrenzung<br />
berücksichtigt neben Geld- und Sachvermögen auch Versorgungs- und Humanvermögen. Hinzu<br />
kommt die Tatsache, daß äußerst unterschiedliche Vorstellungen in Wissenschaft und Praxis darüber<br />
bestehen, welche staatlichen Instrumente unter den Bereich der Vermögenspolitik zu subsumieren<br />
sind und welche Ziele mit Hilfe dieser Maßnahmen anzustreben sind.<br />
Im vorliegenden Projekt wurden nach der Isolierung des Verteilungsziels als zentraler Zielvorstellung<br />
sowohl vermögensbildende Maßnahmen als auch die am Vermögensbestand ansetzende Vermö-<br />
gensteuer, die Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Privatisierungen als vermögenspolitische In-<br />
strumente abgegrenzt. Unter Berücksichtigung dieser Abgrenzungen sowie den drei Hauptzielen er-<br />
gaben sich die folgenden zentralen Erkenntnisse.<br />
Im Rahmen einer Mehrfaktorentheorie des Vermögens konnte zunächst das komplexe Beziehungsge-<br />
flecht einzelner Bestimmungsfaktoren der personellen Verteilung getrennt nach individuellen Faktoren<br />
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen systematisiert werden. Im Rahmen der sogenannten Le-<br />
benszyklushypothese erwiesen sich das Alter der Wirtschaftssubjekte und die Bedeutung von Erb-