02.12.2012 Aufrufe

forschungsbericht 1998 - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...

forschungsbericht 1998 - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...

forschungsbericht 1998 - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Lehrstuhl für Auslandswissenschaft (Romanischsprachige Kulturen) 153<br />

4.4 Ergebnisse<br />

Die Bandbreite dessen, was unter Gewalt verstanden wird, ist beachtlich. Sie reicht von einem sehr<br />

engen, konventionellen Verständnis, demzufolge unter Gewalt die Ausübung direkten physischen<br />

Zwangs verstanden wird, bis hin zu einem sehr weiten Begriff, demgemäß unter Gewalt auch Phäno-<br />

mene indirekter, struktureller Gewalt fallen. Aus forschungspragmatischen Gründen verstehen wir<br />

jedoch unter Gewalt die Ausübung direkten physischen Zwangs gegenüber Menschen - sei sie situativ<br />

bedingt oder sei sie institutionalisiert. Politische Gewalt läßt sich gegenüber anderen Formen der Ge-<br />

walt insofern abgrenzen, als sie von politischen Einstellungen und Strategien her begründet, legitimiert<br />

und in konkreten Konfliktfällen praktiziert wird.<br />

Politische Gewalt ist in Lateinamerika v. a. in inneren Konflikten feststellbar. Hierbei spielen staatliche<br />

Akteure eine wichtige Rolle. Die Palette staatlicher Unterdrückungsgewalt reichte in der jüngeren la-<br />

teinamerikanischen Vergangenheit von willkürlichen Verhaftungen, Mißhandlungen, Folterungen<br />

und/oder Ermordungen (einschließlich des berühmten „Verschwindenlassens“) einzelner Regimegeg-<br />

ner, die sporadisch oder systematisch nahezu überall stattfanden, bis hin zu Staatsterrorismus und<br />

Massenmorden, die nur in einzelnen Ländern vorkamen. Der Institutionalisierungsgrad politischer<br />

Unterdrückungsgewalt hängt u. a. davon ab, inwieweit staatlichen Gewaltübergriffen tatsächlich eine<br />

Repressionsstrategie militärischer und politischer Führer zugrundeliegt, die dann unter Ausnutzung<br />

von Hierarchien und Befehlsstrukturen umgesetzt wird.<br />

Das Gegenstück zur Gewalt seitens des Staates ist die Gewalt gegen den Staat, die ebenfalls vielfäl-<br />

tige Formen annehmen kann. Das Spektrum der Aufstandsgewalt reicht vom gewaltsamen Protest<br />

und Aufruhr über Terrorismus und Guerrilla-Kampf bis hin zur gewaltsamen Revolution. Aufstandsge-<br />

walt ist zumeist eine Reaktion auf die zunehmende Einschränkung des politischen Handlungsspiel-<br />

raumes. Die Radikalisierung wird oft durch soziale Mißstände beschleunigt.<br />

In dem Maße, in dem sich die politische Gewalt verselbständigt, machen Unterdrückungsgewalt und<br />

Aufstandsgewalt immer weniger den Kern des Gewaltproblems aus. So wird heute die Gewaltszene<br />

vom gewaltsamen Austrag alltäglicher sozialer Konflikte bestimmt. Selbst vordergründig rein politisch<br />

motivierte Gewalttaten müssen nicht primär politisch begründet sein, sondern können „lediglich“ Teil<br />

eines brutalen sozialen Überlebenskampfes sein. Diese Beobachtung verweist auf ein grundlegendes<br />

Problem: Ungeachtet deutlicher Unterschiede zwischen lateinamerikanischen Ländern besitzen die<br />

meisten Staaten der Region faktisch kein stabiles, rechtsstaatlich fundiertes Gewaltmonopol. Unter<br />

diesen Bedingungen verwundert es keineswegs, daß die friedlichen Formen des Konfliktaustrags oft<br />

nicht greifen. Damit der Übergang von autoritären Regimen und Bürgerkriegsländern zu stabilen De-<br />

mokratien erfolgreich abgeschlossen werden kann, bedarf es deshalb der umfassenden Umgestaltung<br />

der öffentlichen Institutionen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!