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Sicherheit und Katastrophenschutz für Museen, Archive

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Nachteile entstehen dürfen. Meist geht es dabei um die Kosten der Unterhaltung<br />

des Baudenkmales, weshalb sich zu Zeiten knapper Haushalte jene<br />

Prozesse mehren, in denen Gerichte zu entscheiden haben, ob eine Maßnahme<br />

dem Eigentümer aufgr<strong>und</strong> der Sozialbindung des Eigentums zumutbar<br />

ist oder der Staat die Zumutbarkeit durch direkte oder indirekte finanzielle<br />

Leistungen herstellen muss.<br />

Maßnahmen der Gefahrenabwehr muss der Eigentümer hingegen selber tragen,<br />

weshalb die Bauaufsicht einen Gefahrenzustand nur mit dem „geringsten<br />

Mittel“ abwenden darf. Abstützungen, Dacherneuerung <strong>und</strong> ähnliche<br />

kostenintensive Maßnahmen gehören in der Regel nicht dazu. So wird<br />

eine von einem Baudenkmal ausgehende Gefahr oft durch einen Abbruch<br />

beseitigt, was natürlich einen Konflikt mit dem Denkmalpfleger mit sich<br />

bringt. Damit gewinnt die Frage, ob eine bauaufsichtliche Forderung in der<br />

Gefahrenabwehr begründet ist oder dem Kulturgüterschutz dient, auch eine<br />

finanzielle Bedeutung. Die Schwierigkeiten, im Einzelfall die Abgrenzungsprobleme<br />

zu lösen, können hier nicht erläutert werden.<br />

Selbst im Interesse der Gefahrenabwehr darf die Freiheit des Bürgers<br />

nur möglichst wenig eingeschränkt werden. Die Fürsorgepflicht des Staates<br />

erstreckt sich deshalb nur auf Mindestanforderungen des Ges<strong>und</strong>heitsschutzes;<br />

dem Bürger ist es frei gestellt, zu seinem Schutz auf eigene Kosten mehr<br />

zu tun als in den Landesbauordnungen vorgeschrieben ist. Fordern kann der<br />

Staat nur den Mindestsicherheitsstandard, der in den Landesbauordnungen<br />

festgeschrieben ist; ob <strong>und</strong> wie der Bürger sein Eigentum zusätzlich schützt,<br />

bleibt allein seinem eigenen Empfinden <strong>und</strong> seinen Möglichkeiten überlassen.<br />

So steht es dem Eigentümer auch frei, ob er sein Eigentum versichert. Die<br />

Versicherungen können nur den materiellen Schaden ersetzen. Für Kulturdenkmäler<br />

ist dies nur selten eine befriedigende Lösung; ich erinnere hier<br />

an ein umfangreiches Lehrbuch der Hessischen Brandversicherung aus den<br />

frühen 1980er Jahren, in dem beispielhaft <strong>und</strong> ausführlich die Brandversicherungssumme<br />

der frühgotischen Elisabethkirche in Marburg kalkuliert<br />

wird. Danach bestand der Neubau natürlich aus sandsteinfarbenem Beton,<br />

Gipsabdrücken <strong>und</strong> Fototapeten; eben „neu <strong>für</strong> alt“. Und wer <strong>für</strong> seine alten<br />

Eichenbalken an Stelle von billigem Nadelholz wieder Eichenholz haben<br />

wollte, musste die Mehrkosten zusätzlich versichern. Andererseits konnte damals<br />

der Eigentümer aber auch deutliche Beitragsermäßigungen aushandeln,<br />

wenn er in Abstimmung mit der Brandversicherung technische Maßnahmen<br />

zur Vermeidung von Entstehungsbränden vorsah, die weit über die Forderungen<br />

der Landesbauordnung hinausgingen. Oder anders ausgedrückt: je teurer<br />

die <strong>Sicherheit</strong>seinrichtungen, um so billiger die Brandversicherung.<br />

Es ist also nicht Aufgabe der Bauordnung, Brände zu verhindern, Baudenkmäler<br />

zu retten <strong>und</strong> Kulturgüter zu schützen, sondern Menschen zu retten. Um<br />

es drastisch auszudrücken: Die Landesbauordnung hat ihre Aufgabe erfüllt,<br />

wenn die Eigentümer nachts um drei im Nachthemd auf der Gasse stehen<br />

<strong>und</strong> zuschauen, wie ihr Baudenkmal abbrennt.<br />

Dies bedeutet natürlich Konflikte mit all den Vertretern von Institutionen,<br />

die Kulturgüter schützen, retten <strong>und</strong> bewahren wollen. Die Konflikte werden<br />

umso größer, je höher die Erwartungshaltung der Kuratoren ist <strong>und</strong> je<br />

weniger eine Bauaufsicht mangels Zuständigkeit erfüllen kann. Die Konflikte<br />

sind auch in den ambivalenten Wirkungen von <strong>Sicherheit</strong>smaßnahmen begründet,<br />

z.B. wenn die Bauaufsicht die ständige ungehinderte Freihaltung der<br />

Rettungswege fordert, sich aber nicht darum zu kümmern braucht, dass Rettungswege<br />

gerne in umgekehrter Richtung von Einbrechern genutzt werden.<br />

Oder wenn zwar das Feuer durch Wasser schnell gelöscht werden kann,<br />

aber die Wasserschäden <strong>für</strong> die <strong>Sicherheit</strong>sbehörden ohne jegliches<br />

Interesse sind.<br />

Dennoch glauben viele Kunsthistoriker, dass die Bauaufsichtsbehörden<br />

durch ihre Forderungen zur Abwehr von Gefahren <strong>für</strong> Menschen auch ihre<br />

Kulturgüter ausreichend schützen. Selbstverständlich müssen die Vorschriften<br />

zur Gefahrenabwehr <strong>für</strong> Menschen auch in <strong>Museen</strong> <strong>und</strong> <strong>Archive</strong>n erfüllt<br />

werden; der Schutz von Kulturgütern erfordert in der Regel jedoch andersartige<br />

<strong>und</strong> weitergehende Maßnahmen, die mangels Zuständigkeit nicht von<br />

der Bauaufsicht erhoben werden können. Die Mitarbeiter der Bauaufsicht<br />

<strong>und</strong> der Feuerwehren sind <strong>für</strong> derartige Maßnahmen auch nicht ausgebildet<br />

<strong>und</strong> folglich auch nicht fachk<strong>und</strong>ig. Technische Vorschriften oder gar technische<br />

Behörden zum Schutz der Kulturgüter gibt es nicht; wie die <strong>Museen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Archive</strong> ihre Kulturgüter vor äußeren Einwirkungen wirkungsvoll <strong>und</strong><br />

zweckmäßig schützen, bleibt ihnen allein überlassen.<br />

Wenn also einer der maßgeblichen Landeskonservatoren laut beklagt,<br />

dass im Bereich des Brandschutzes alles so schön eindeutig geregelt sei, im<br />

Denkmalschutz aber alles ungeregelt sei, so offenbart dies nicht nur Unkenntnis<br />

der rechtlichen Systematik, sondern auch fachliche Unbedarftheit.<br />

Denn nur aus Bequemlichkeit kann behauptet werden, dass die Bauordnung<br />

dem Kulturgüterschutz dient; <strong>und</strong> nur bei oberflächlichem Betrachten kann<br />

der Eindruck entstehen, dass im Bereich des baulichen Gefahrenabwehrrechts<br />

alles eindeutig geregelt sei.<br />

Zwar hat der Staat zur Rettung von Menschenleben eindeutige <strong>Sicherheit</strong>sziele<br />

<strong>und</strong> <strong>Sicherheit</strong>sstandards gesetzt, hütet sich aber davor, durch Gesetze<br />

oder gesetzesgleiche Baubestimmungen <strong>für</strong> den Einzelfall allzu detaillierte<br />

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