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Sicherheit und Katastrophenschutz für Museen, Archive

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vandalismus<br />

Hanna Pennock<br />

Der berühmte holländische Dichter Lucebert (1924-1994) schrieb in den<br />

1950er Jahren ein Gedicht, aus dem eine Zeile häufig zitiert wird: „Alles<br />

Wertvolle ist wehrlos“ (auf Holländisch: „Alles van waarde is weerloos“).<br />

Wenn wir die lange Geschichte der Kunst betrachten, finden wir viele<br />

Beispiele, die diese Feststellung unterstützen. Die Motive sind oft politisch<br />

oder religiös. 1<br />

Auch kürzlich entsetzten viele Fälle von Vandalismus die Kunstwelt. Im<br />

Juni 2006 sprühte ein 69 Jahre alter Mann eine chemische Substanz auf die<br />

Feier des Friedens von Münster des Bartholomeus van der Helst, eines der<br />

wichtigsten Gemälde des Rijksmuseums in Amsterdam. Glücklicherweise<br />

wurde dank des sofortigen Eingreifens eines Wachmanns nur der Firnis<br />

beschädigt. Zuvor hatte der Täter bereits r<strong>und</strong> 165 Kunstwerke in Deutschland<br />

attackiert. Er war viele Jahre in psychiatrischer Behandlung gewesen,<br />

aber schließlich als nicht behandelbar entlassen worden. Wäre die Nachtwache<br />

von Rembrandt nicht 1975 mit einer Säure beschädigt worden, hätte<br />

er wahrscheinlich dieses berühmteste Gemälde des Rijksmuseums gewählt.<br />

Aber seit der Säureattacke hat die Nachtwache einen Glasschutz.<br />

Besonders moderne Kunst ist anfällig <strong>für</strong> Vandalismus, weil deren Preise<br />

hoch sind <strong>und</strong> ‘ein vierjähriges Kind das hätte malen können’. Im Jahre 1986<br />

beschädigte ein Holländer im Stedelijk Museum in Amsterdam Barnett Newmans<br />

Farbfeldgemälde Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue III mit einem<br />

Stanley-Messer. Vier Jahre zuvor hatte ein Student in der Neuen Nationalgalerie<br />

in Berlin auf eine andere Version dieses Gemäldes Who’s Afraid of Red,<br />

Yellow and Blue IV eingeschlagen. Die Waffe, die er gebrauchte, war Teil der<br />

Barriere, die aufgestellt worden war, um Abstand vom Gemälde zu halten.<br />

Als das Gemälde in Amsterdam wiederhergestellt worden war, kam der Holländer<br />

im Jahre 1997 zurück, um es erneut zu beschädigen. Da es zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht ausgestellt war, nahm er ein anderes Gemälde von Barnett<br />

Newman - Cathedra - <strong>und</strong> stach wieder mit einem Stanley-Messer zu. Er sei<br />

verärgert, weil der Restaurator sein ‘Kunstwerk’ beschädigt habe, erklärte er<br />

später.<br />

Dies sind die schmerzlichsten Beispiele <strong>für</strong> Vandalismus. Aber dann gibt es<br />

all diese neugierigen Besucher, die sich nicht darauf beschränken können,<br />

nur zu schauen: ‘Nur mal berühren, ‘Nur mal beklopfen’, ‘Nur mal dagegen<br />

treten’. Wir können es einfach nicht lassen, Dinge zu berühren.<br />

Anscheinend brauchen wir den taktilen Kontakt als unterstützendes Mittel<br />

zur Bestätigung der visuellen Wahrnehmung.<br />

Eine ganz andere Kategorie ist der reine ‘Spaß’. Von meinen eigenen Beobachtungen<br />

kann ich zwei klebrige Beispiele erwähnen: Kaugummi unter der<br />

Folterbank im Gevangenpoort <strong>und</strong> auf einem mittelalterlichen Altargemälde<br />

im Museum <strong>für</strong> religiöse Kunst.<br />

Es ist schon wahr: Kunst ist wehrlos. Aber es gibt viele Möglichkeiten, ihr zu<br />

Hilfe zu kommen <strong>und</strong> sie zu schützen. Am Anfang sollte eine Risikoanalyse<br />

stehen. Die Fragen, die ein Museum stellen sollte, betreffen fünf Kategorien<br />

von Vandalismus, von denen die erste am gravierendsten ist:<br />

1) Vandalismus aus politischen oder religiösen Motiven,<br />

2) Vandalismus aus Ärger oder Verwirrung,<br />

3) Vandalismus aus ‘Spaß’,<br />

4) Vandalismus aus Unkenntnis,<br />

5) Vandalismus durch Zufall.<br />

Zu beachten ist, dass <strong>für</strong> die Verhütung <strong>und</strong> das Ergreifen von Maßnahmen<br />

der organisatorische Teil von äußerster Wichtigkeit ist. Vergewissern Sie sich,<br />

dass die Rollen, Aufgaben <strong>und</strong> Verantwortlichkeiten korrekt definiert sind<br />

<strong>und</strong> machen Sie jährlich wenigstens zwei Übungen. Dazu ist nicht unbedingt<br />

eine praktische Übung nötig: Auch die Erörterung eines vorgestellten<br />

Angriffs am r<strong>und</strong>en Tisch durch das betreffende Personal kann sehr nützlich<br />

sein.<br />

Mögliche Bedrohungen<br />

• Religiöse <strong>und</strong> politische Probleme in Verbindung mit Ihrer Sammlung<br />

• Moderne Kunst kann eine Provokation sein,<br />

• Ein ehemaliger Angestellter könnte Rache nehmen,<br />

• Brandstiftung,<br />

• Nachlässigkeit, unzulängliche Wartung der Sammlung <strong>und</strong> des Gebäudes,<br />

können zu Vandalismus einladen,<br />

• Gruppen von Besuchern, besonders von Jugendlichen,<br />

• Besucher, die Objekte berühren,<br />

• Rigide Gestaltung/rigider Gestalter der Ausstellung,<br />

• Schlecht gewählter Aufstellungsort eines Objekts.<br />

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