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Festbuch 120 Jahre MGV

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Die Feierlichkeiten müssen ein eindrucksvolles und anstrengendes Ereignis gewesen<br />

sein. Sie begannen am Samstag, dem 14. Mai abends um halb acht mit einem Fackelzug.<br />

Hierauf folgte das Festbankett im Vereinslokal „Zum Goldenen Hirsch“. Der folgende<br />

Sonntag begann bereits wieder um 10 Uhr mit einem Empfang für die auswärtigen<br />

Gäste, die sich ab halb eins beim Mittagessen, ebenfalls im "Hirsch“, stärkten für das was<br />

folgen sollte. Denn um drei Uhr nachmittags begann der Festzug zum Festplatz. Ein Vorreiter<br />

hoch zu Pferde führte den Zug an, gefolgt von Aktiven des Radfahrervereins Eintracht<br />

und den Tambouren. Den Musikanten folgten die Fahnentruppe, der Fest-Ausschuss<br />

und die teilnehmenden Gesangsvereine, als letzter der <strong>MGV</strong> selbst.<br />

Auf dem Festplatz übergaben schließlich die Fahnenjungfrauen dem Verein die Fahne.<br />

Das überlieferte Programm gibt uns nicht nur Aufschluss über die anwesenden Vereine,<br />

sondern auch über ihr Repertoire. Der Bruderverein Liederkranz etwa sang „Ich kehre<br />

wieder“ von Mengert, das Männer-Quartett Waldsee „An die Freundschaft“ von Neidhardt<br />

und der Sängerbund Hockenheim „Der Mai ist da“ von Bernhard Dietrich; keines<br />

dieser Lieder wird heute noch gesungen. Nicht mehr existent ist auch mancher der damals<br />

teilnehmenden Vereine, so etwa ein „Norddeutscher Verein Rheinau“.<br />

Anfang der dreißiger <strong>Jahre</strong> wurde die Fahnen aufwendig restauriert, und zwar von<br />

der Ehefrau des Vereinsvorsitzenden Heck – ein Vorgang, der nach 1933 Gegenstand<br />

heftiger persönlicher Auseinandersetzungen im Verein wurde. Die nationalsozialistischen<br />

Gegner Hecks kreideten dem Vorsitzenden an, seine Frau habe für ihre Arbeit unverhältnismäßige<br />

Kosten berechnet; Auslagen für Porto und Telefon seien zu hoch ausgefallen<br />

und darüber hinaus durch keinerlei Quittungen belegt gewesen. In einer Sitzung der<br />

„Vereinsführerschaft“ wurde Heck, damals schon nicht mehr im Amt, mit diesen Anschuldigungen<br />

konfrontiert und ihm gedroht, sie weiter zu verfolgen, wenn er seinen<br />

Widerstand gegen die neue NS-nahe Vereinsführung nicht aufgebe.<br />

Nach Ende des Dritten Reiches waren emotionale Symbole wie Hymne und Fahne in<br />

Deutschland im öffentlichen Bereich zunächst diskreditiert. Die emotionale Kraft, die sie<br />

bei den Menschen entfaltet hatten, war von den Nationalsozialisten genutzt worden,<br />

um sie für ihre verbrecherischen Zeile zu missbrauchen. Die Vereine allerdings konnten<br />

ihre Fahnen, sofern sie kein Hakenkreuz beinhalteten, wieder problemlos benutzen.<br />

Auch der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau zeigte seine alte Fahne vor. Auch die aus dem 19. Jahrhundert<br />

stammenden Bräuche im Zusammenhang mit der Fahne wurden wieder nahtlos<br />

fortgeführt.<br />

Zur Popularisierung des 60. Vereinsjubiläums im <strong>Jahre</strong> 1956 hatte der Verein in der<br />

Textilhandlung Baral in der Neuhofer Straße (späterer Penny-Markt) ein Schaufenster<br />

dekoriert, in dem die Vereinsfahne gemeinsam mit Pokalen und Notenheften ausgestellt<br />

wurde – ein Brauch, der wie so viele andere in den zurückliegenden Jahrzehnten verlorenging<br />

oder sich nicht mehr realisieren ließ.<br />

Bei den Feierlichkeiten zum 90-, 100- und <strong>120</strong>-jährigen Jubiläum in den <strong>Jahre</strong>n 1986,<br />

1996 und 2016 spielten Rituale im Zusammenhang mit der Fahne denn auch keinerlei<br />

Rolle mehr. Weder ein Fahnenspruch noch das Anfügen einer Fahnenschleife aus Anlass<br />

des Jubiläums geschweige denn die Einsetzung eines Fahnenjunkers oder einer Fahnendame<br />

waren bei diesen Feierlichkeiten mehr vorgesehen. Die Vereinsfahne diente bei<br />

derartigen Veranstaltungen lediglich noch als Requisite und Kulisse auf der Bühne.

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