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Schwierige Rahmenbedingungen<br />
Im Januar 1964 gab der bisherige Vorsitzende Franz Graf nach nur drei <strong>Jahre</strong>n Amtszeit<br />
den Vorsitz ab. Sein Nachfolger wurde der damals 38-jährige Ingenieur Helmut Schmitt.<br />
Zwölf Tage vor seinem 20. Geburtstag war er in den Verein eingetreten. Dass seine Wahl<br />
am 5. Januar 1964 ein für die Vereinsgeschichte historisches Datum werden würde, das<br />
war damals natürlich noch nicht absehbar. Am Ende jedoch sollte Schmidt den Verein<br />
28 <strong>Jahre</strong> lang führen und ihm in dieser Zeit seine gesellschaftliche Bedeutung verschaffen.<br />
Erstmals in einer Periode des Friedens und des Wohlstandes konnte der Verein 1971<br />
ein Jubiläum unbeschwert feiern: Zum 75-jährigen Bestehen veranstaltete er einen Festakt<br />
im Nachbarschaftshaus, an dem der aus Mannheim stammende Innenminister von<br />
Baden-Württemberg, Walter Krause und Oberbürgermeister Ludwig Ratzel teilnahmen.<br />
Ihm folgte ein Festball in der TSG.<br />
Außerdem gönnte sich der Jubelverein einen Sängerausflug nach Roßhaupten bei<br />
Füssen im Allgäu; einige Sänger hatten hier bereits zuvor privat Urlaub gemacht. Den<br />
Höhepunkt bildete die Besichtigung von Schloss Neuschwanenstein des Königs Ludwig II.<br />
von Bayern mit Vortrag des Liedes „Sanctus“ aus der Deutschen Messe im Sängersaal<br />
des Schlosses. Den Abschluss des dreitägigen Aufenthalts bildete ein Platzkonzert auf<br />
dem Marktplatz von Roßhaupten, der Empfang durch den Bürgermeister und ein gemeinsames<br />
Konzert mit dem örtlichen Musik- und Gesangverein.<br />
Doch das 75. Jubiläum markierte für den Verein bereits eine Zeitenwende. Wie bei<br />
vielen anderen Vereinen, so blieb auch bei den Rheinauer Sängern der Nachwuchs zunehmend<br />
aus. Bei den verbleibenden Aktiven konkurrierte die Singstunde immer mehr<br />
mit den steigenden Anforderungen des Berufes und in der Freizeit mit den Bedürfnissen<br />
der Familie und anderen Interessen, vor allem dem Fernsehen.<br />
Das zeitigte natürlich Folgen für die Vereinsarbeit: Das zeitraubende, oft wochenlange<br />
Einstudieren schwieriger Chorliteratur musste zurückgefahren werden, statt zu Preisund<br />
Wertungssingen fuhr man fortan nur noch zu Freundschaftssingen bei Jubiläen befreundeter<br />
Vereine. Auch der Publikumsgeschmack hatte sich verändert: Der klassische<br />
Chorgesang des deutschen Liedgutes hatte immer mehr Anhänger verloren, insbesondere<br />
unter der Jugend, die sich seit den sechziger <strong>Jahre</strong>n ausnahmslos an der englischsprachigen<br />
Popmusik orientierte.<br />
Gescheiterte Fusion mit dem Liederkranz<br />
Aufgrund dieser Rahmenbedingungen kam erstmals ernsthaft ein Projekt auf den Tisch,<br />
das seit Jahrzehnten bereits die Gemüter aller Gesangsbegeisterten in Rheinau bewegt<br />
hatte: die Bildung einer gemeinsamen großen Sängerfamilie im Vorort, sprich: der Zusammenschluss<br />
mit dem Liederkranz. Der Schatzmeister des Liederkranzes, Karl Stemler,<br />
hatte dies in einem Gespräch mit Helmut Schmitt am 9. Oktober 1973 vorgeschlagen.<br />
Bereits am 11. November 1973 stimmte der Vorstand des <strong>MGV</strong> diesem Vorschlag<br />
grundsätzlich zu, stellte jedoch drei Forderungen auf: Das Gründungsjahr 1896 müsse