Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
33<br />
Die Gleichschaltung betraf aber nicht nur die Organisation des Vereins, sondern auch<br />
die Inhalte, also das Liedgut. Noten und Liederhefte weltbekannter Komponisten verschwanden<br />
allmählich aus den Notenschränken und dem Repertoire der Auftritte, weil<br />
sie von „jüdischen“ oder „slawischen“ Komponisten stammten und damit nicht dem<br />
Rassegedanken der Machthaber entsprachen. Das Repertoire der Weihnachtsfeier 1933<br />
gab bereits einen beredten Eindruck von dieser Entwicklung: Statt Kunstliedern wie der<br />
„Loreley" sang man nun den „Jäger aus Kurpfalz“, „Bin i net ä Bürschle“ oder „Mädel<br />
ruck, ruck, ruck“, führte dazu ein dümmliches Singspiel namens „Bauer und Baron“ auf,<br />
das die nationalsozialistische Ideologie der Volksgemeinschaft propagieren sollte.<br />
Zu einem besonderen Jahr für die Rheinauer Sänger wurde 1936: Der <strong>MGV</strong> konnte<br />
sein 40. Stiftungsfest feiern, und er tat dies mit einem Festbankett im „Badischen Hof“<br />
(neben dem heutigen Gasthaus „Schindeldach“). Zum Erinnerungsfoto auf der Bühne<br />
gruppierten sich die noch lebenden Mitglieder der ersten <strong>Jahre</strong> und die Honoratioren<br />
des Vereins, die Festdame und ein Bild des „Führers“ gruppiert, der im Zeichen der beeindruckenden<br />
Olympischen Sommerspiele von Berlin und damit der Wiederanerkennung<br />
Deutschlands durch die Völkergemeinschaft auch bei einigen der bisherigen Skeptiker<br />
auf der Höhe seines Ansehens stand.<br />
Der Verein im Krieg<br />
Doch erst allmählich sollten viele den wahren Charakter der Machthaber erkennen. Am<br />
1. September 1939 begann Hitler mit dem Überfall auf Polen den Zweiten Weltkrieg mit<br />
all seinen schrecklichen Folgen, die von Anfang an auch in der Heimat zu spüren waren.<br />
Durch die Einberufungen in den Krieg wurde die Tätigkeit des Vereins immer stärker eingeschränkt.<br />
Schon 1940 heißt es im Protokoll: „Durch die Einberufung der Kameraden verlor<br />
der Chor enorm. Der Krieg gebot ein striktes Handeln der Vereinsmitglieder, unter der<br />
Fahne zu kämpfen für Deutschlands Ehre. Unser aller Wunsch möge aber sein, dass der Krieg<br />
in aller Bälde für Deutschland siegreich beendet werde“. Bereits in der Generalversammlung<br />
vom 21. Januar 1940 musste der neue Vereinsführer Hans Knoblauch der ersten<br />
vier Toten des kurz zuvor losgebrochenen Krieges gedenken. Auch Knoblauch selbst, im<br />
Stadtteil für sein prächtiges Klavierspiel bekannt, fiel später im Kriege.<br />
Ihm folgte im Vorsitz zunächst Georg Mächerlein, ab 1942 Paul Maron. Da sie jedoch<br />
auch nach dem Kriege wieder dem von den Amerikanern genehmigten Vorstand angehörten,<br />
ist anzunehmen, dass sie keine Nationalsozialisten waren, wenngleich sie dem<br />
Regime natürlich nicht auch nicht offen ablehnend gegenüberstanden; ansonsten hätten<br />
sie ihre Ämter in dieser Zeit ja nicht ausüben können. Dirigent war seit 1934 nach wie<br />
vor Friedrich Guthmann.<br />
Die praktische Arbeit im Verein lag jedoch in den letzten Kriegsjahren in den Händen<br />
eines Anderen: Willi Barth – er wohnte in der Neuhofer Straße 11 – war auf Grund eines<br />
Unfalls schwerbehindert und wurde deshalb nicht in die Wehrmacht eingezogen. Im Bewusstsein<br />
dessen hatte der Vorstand daher bereits 1940 in einem formalen Beschluss<br />
festgelegt, dass Barth die Arbeit des Vereins weiterführen solle, sollten alle Vorstandsmitglieder<br />
im Felde sein. Und so wurde es auch. Barth organisierte die (nach bis zuletzt un-