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Die Fahnenweihe<br />
Endgültig abgeschlossen wurde die Gründungsphase des Vereins mit seine Fahnenweihe<br />
am 14. und 15. Mai 1904. Bereits über ein Jahr vor dem Ereignis bildete der Verein einen<br />
Festausschuss, der von Philipp Rothacker als Gallionsfigur geleitet wurde und in dem August<br />
Geißler als Schriftführer die organisatorischen Arbeiten erledigte. Einmal im Monat<br />
trafen sich die Organisatoren abwechselnd in einer der Rheinauer Gastwirtschaften, sei<br />
es im „Pfälzer Hof“ von August Maier, dem „Freischütz“ von Johann Seitz, dem (damals:)<br />
„Neuen Relaishaus“ von Philipp Roßrucker oder dem „Ratstübl“ von Karl Fritzinger.<br />
Im Juli 1903 schrieb August Geissler sämtliche Gesangsvereine zwischen Vorderpfalz<br />
und Bergstraße an, um sie zur „Fahnenweihe verbunden mit Gesangswettstreit“ einzuladen.<br />
Der beigefügte Antwortbogen beinhaltete auch die für unsere heutigen Ohren so<br />
fremd klingende Frage: „Kommen Sie mit dem Fuhrwerk oder per Bahn?“ Damals jedoch<br />
war die Frage berechtigt, musste doch die Versorgung der Pferde frühzeitig organisiert<br />
werden. „Besonders sei bemerkt“, so hieß es in der Einladung weiter, „dass Rheinau in<br />
nächster Nähe von Mannheim, Schwetzingen und Heidelberg liegt und durch seine überaus<br />
günstigen Zugverbindungen nach diesen Orten jederzeit Fahrgelegenheit geboten ist“.<br />
Die Funktion des „Fahnenjunkers“ wurde Wilhelm Engelhardt übertragen, dem Chef<br />
der Firma Geber & Mader und wohnhaft im Haus neben der Villa des Dr. Spinner, was<br />
man getrost als Frühform des Sponsoring werten kann. Mina Rothacker, die Tochter des<br />
Vereinsgründers, fungierte als „Fahnenbraut“ – offenbar Dank und Anerkennung für<br />
den „Vereinsvater“. Auguste Scherer aus dem „Stall“ des Saalbaus Scherer und Anna<br />
Strauß aus der gleichnamigen Spengler-Familie, also zwei Töchter alter Rheinauer Familien<br />
also, waren ihre Prinzessinnen.<br />
Die Feierlichkeiten zur Fahnenweihe müssen ein eindrucksvolles und auch anstrengendes<br />
Ereignis gewesen sein. Sie begannen am Samstag, dem 14. Mai, abends um<br />
halb acht mit einem Fackelzug. Hierauf folgte das Festbankett im Vereinslokal „Zum<br />
Goldenen Hirsch“. Der folgende Sonntag begann bereits wieder um 10 Uhr mit einem<br />
Empfang für die auswärtigen Gäste, die sich ab halb eins beim Mittagessen, ebenfalls im<br />
„Hirsch“, stärkten für das was folgen sollte. Denn um drei Uhr nachmittags begann der<br />
Festzug zum Festplatz. Ein Vorreiter hoch zu Pferde führte den Zug an, gefolgt von Aktiven<br />
des Radfahrervereins „Eintracht“ und den Tambouren. Den Musikanten folgten die<br />
Fahnentruppe, der Fest-Ausschuss und die teilnehmenden Gesangsvereine, als letzter<br />
der <strong>MGV</strong> selbst.<br />
Auf dem Festplatz übergaben schließlich die Fahnenjungfrauen dem Verein die Fahne.<br />
Das überlieferte Programm gibt uns nicht nur Aufschluss über die anwesenden Vereine,<br />
sondern auch über ihr Repertoire. Der Bruderverein Liederkranz etwa sang „Ich<br />
kehre wieder“ von Mengert, das Männer-Quartett Waldsee „An die Freundschaft“ von<br />
Neidhardt und der Sängerbund Hockenheim „Der Mai ist da“ von Bernhard Dietrich;<br />
keines dieser Lieder wird heute noch gesungen. Nicht mehr existent ist auch mancher<br />
der damaligen Teilnehmer, so etwa der „Norddeutsche Verein Rheinau“.<br />
Trotz der positiven Entwicklung kam es immer wieder zu Krisen innerhalb des Vereins.<br />
Am 17. Januar 1905 etwa legte aus Gründen, die nicht überliefert sind, der gesamte Vorstand<br />
um Philipp Rothacker sein Amt nieder; die Mitgliederstatistik verzeichnet für jenes