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Stadtgrenzen in der Umgebung war ein abwechslungsreiches Erlebnis, für das man gerne<br />
auch einen kilometerweiten Fußmarsch in Kauf nahm. Denn für Eisenbahn-Fahrkarten<br />
fehlte das Geld, und ein Fahrrad war zu jener Zeit ein Luxus und obendrein ein Diebstahlsobjekt<br />
ersten Ranges, war es doch das einzige Transportmittel des kleinen Mannes<br />
zum Hamstern und damit zum Organisieren des Überlebens.<br />
Ihren ersten Familienausflug machten die Sänger nach Odenheim im Kraichgau – mit<br />
zwei Lastwagen mit Holzvergaser-Antrieb, die Lino Facco und Kurt Buster zur Verfügung<br />
gestellt hatten. Auf den Holzbänken der Ladefläche musste das erforderliche Brennmaterial<br />
mitgeführt werden. Und dennoch: Wie strahlten die Gesichter der Sänger, als sie<br />
bei ihrer Ankunft in Odenheim mit Erbsensuppe und Bockwurst gespeist wurden?<br />
Die Währungsreform vom Juni 1948 bildete auch für den <strong>MGV</strong> einen tiefen Einschnitt.<br />
Bereits in der Mitgliederversammlung vom 11. Juli wurde die Beitragsordnung<br />
auf die neue D-Mark umgestellt. Der Beitrag betrug nun 70 Pfennige, für Jugendliche<br />
und Kriegsversehrte die Hälfte. Doch die Währungsreform erfüllte die Sänger auch mit<br />
Sorge. „Der <strong>MGV</strong> verfügte vor der Währungsreform über ein Guthaben von 3.300 Reichsmark.<br />
Inwieweit eine Abwertung für Vereinsguthaben kommt, ist heute noch nicht bekannt“,<br />
hieß es sorgenvoll im Protokoll der Mitgliederversammlung vom 11. Juli 1948. Doch einen<br />
Ausgleich gab es nicht. „Um die durch die Währungsreform ziemlich zusammengeschmolzene<br />
Kasse in wenig aufzubessern, hielt der Verein ein Gartenfest ab und konnte<br />
300 DM gutschreiben“, hieß es im Protokoll der Vorstandssitzung vom 7. Januar 1949.<br />
Neue Blütezeit<br />
Doch wie ganz Deutschland, so hatte auch der <strong>MGV</strong> rückwirkend unter dem Strich von<br />
der Währungsreform profitiert. Mit dem Wegfall der Lebensmittel- und Kleidermarken<br />
ging es wirtschaftlich bergauf, auch der <strong>MGV</strong> nahm einen ungeahnten Aufschwung,<br />
und im Chor sangen 55 Sänger – alte, erfahrene und viele neue.<br />
Die fünfziger <strong>Jahre</strong> wurden zu den erfolgreichsten seit Bestehen des Vereins. Unter<br />
der Leitung von Kantor Erich Bender, der von 1952 bis 1973 als Dirigent fungierte und<br />
den Chor in diesen zwei Jahrzehnten musikalisch entscheidend prägte, konnten bei<br />
Wertungssingen zahlreiche Auszeichnungen errungen werden. Ihren ersten großen Erfolg<br />
konnten die Rheinauer Sänger beim Wertungssingen einfahren, das der Männergesangverein<br />
Friedrichsfeld im Juni 1954 anlässlich seines 75jährigen Bestehens veranstaltet<br />
hatte und bei dem sie sowohl die Tagesbestleistung als auch den Dirigentenpreis ergatterten.<br />
Dabei sangen sie den Chor „Ruhe, schönstes Glück der Erde“ von Franz Schubert<br />
und dem Volkslied „Abendstunde“ von Rudolf Eisenmann (1894-1954), eines Dirigenten<br />
übrigens, der wegen seiner Vertonung nationalsozialistischer Texte von den<br />
Amerikanern nach 1945 mit einem Berufsverbot als Lehrer belegt worden war. Erfolgreich<br />
wurde auch das Wertungssingen in Walldorf im Februar 1955, bei dem die Rheinauer<br />
als Tagesbester einen Pokal errangen, der noch heute der größte innerhalb der<br />
Trophäen-Sammlung des <strong>MGV</strong> ist.<br />
Der erste große Sängerausflug nach dem Kriege führte im August 1952 für drei Tage<br />
nach Obertreis im Westerwald. Dirigent Erich Bender hatte dort während des Krieges