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Festbuch 120 Jahre MGV

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Der Verein in der Weltwirtschaftskrise nach 1929<br />

Doch diese Blütezeit hielt nicht lange an. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 führte zu<br />

einer Rezession, die gerade in einem Industriestandort wie Rheinau besonders dramatische<br />

Folgen zeitigte. Nicht wenige Sänger wurden arbeitslos, konnten ihren Mitgliedsbeitrag<br />

und die Kosten für die Fahrt zu auswärtigen Veranstaltungen nicht mehr bezahlen.<br />

So riss die Wirtschaftskrise große Löcher in den Chor und die Vereinskasse. Im Protokoll<br />

der Generalversammlung vom 24.10.1931 heißt es: „Unsere Mitgliederzahl ist in den<br />

letzten <strong>Jahre</strong>n sehr gesunken, welches wohl den wirtschaftlichen Verhältnissen zuzuschreiben<br />

ist. Der Kassenstand ist auf einen kleinen Betrag zusammengeschmolzen. Sänger Heck<br />

bittet um Vorschläge zu Sparmaßnahmen, jedoch vergebens, keiner hatte einen gewinnbringenden<br />

Vorschlag.“<br />

Die schlechte finanzielle Situation führte am 15. Oktober 1931 zu einer Krisensitzung<br />

des Vorstandes. Den größten Ausgabebatzen stellte bereits damals das Gehalt des Dirigenten<br />

dar. Doch Chorleiter Friedrich Guthmann war in den Gesprächen der vorangegangenen<br />

Wochen nicht dazu zu bewegen, zumindest vorübergehend für weniger als<br />

50 Reichsmark zu arbeiten. So beschloss der Vorstand in jener Sitzung, Guthmann zu entlassen<br />

und einen Nachfolger zu suchen, der die Tätigkeit auch für 30 Mark übernimmt.<br />

Auf ein entsprechendes Inserat in der „Mannheimer Zeitung“ meldeten sich 15 Interessenten<br />

– arbeitslose Musiker gab es damals ja genug. Aus ihnen wurde der erst 22-jährige<br />

Fritz Amme ausgewählt.<br />

Außerdem ergriff man weitere Sparmaßnahmen: Das Abonnement der „Rheinauer<br />

Zeitung“ wurde 1932 gekündigt, aber ein Jahr darauf bereits wieder aufgenommen. Die<br />

Sparmaßnahmen hatten offensichtlich geholfen. Denn schon Ende 1932 hatte sich der<br />

Kassenbestand wieder auf 43 Reichsmark und 35 Groschen verbessert, konnte der Mitgliederstand<br />

per Saldo erstmals wieder gehalten werden: den (oft finanziell bedingten)<br />

zwölf Austritten standen zwölf Neu-Eintritte gegenüber. Der Antrag des Vorsitzenden<br />

Heck, den <strong>MGV</strong> ins Vereinsregister einzutragen lassen, scheiterte in der Generalversammlung<br />

dennoch wegen finanzieller Bedenken der Anwesenden. Dagegen sah sich<br />

der Verein in der Lage, arbeitslosen Sängern für die Teilnahme an Veranstaltungen, so<br />

etwa an dem großen Pfälzischen Gausängerfest in Ladenburg am 9. Juli 1933, einen Zuschuss<br />

zu gewähren. Zudem übernahm Friedrich Guthmann 1934 erneut die Chorleitung<br />

und behielt sie zehn <strong>Jahre</strong> lang bis kurz vor Kriegsende. Ob sich die finanzielle<br />

Situation des Vereins wieder verbessert hatte, ihm sein früheres Gehalt zahlen zu können,<br />

oder Guthmann ein Einsehen hatte, das ist allerdings nicht überliefert.<br />

Immer wieder kam es in diesen <strong>Jahre</strong>n der Anspannung zu heftigem Krach im Verein.<br />

Am 21. Juni 1930 etwa fand eine Versammlung statt, bei der es dem Protokoll nach heiß<br />

hergegangen sein muss. Mehrere Vorstandsmitglieder traten zurück und erklärten sogar<br />

ihren Austritt aus dem Verein, sodass eine Sonderversammlung einberufen werden<br />

musste, auf der am 2. Juli 1930 die freigewordenen Vorstandsposten wieder besetzt<br />

wurden. Neuer stellvertretender Vorsitzender wurde der Rheinauer Feuerwehrhauptmann<br />

Vinzenz Held, Kurt Limbrunner Schriftführer und ein gewisser Becker „zweiter Bibliothekar“<br />

– ja so etwas gab es damals.

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