Festbuch 120 Jahre MGV

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138 Der prominente Festredner: Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauer. Dass der Chef der deutschen Geheimdienste als Festredner für den Festakt zum 100. Jubiläum des MGV gewonnen werden konnte, das war eine Sensation. Dem Verein schrieb der enge Vertraute von Bundeskanzler Helmut Kohl außerdem diese Widmung, die natürlich einen Ehrenplatz im Vereinsarchiv innehat.
139 Im Gegensatz zu vielen anderen Vereinen dieses Alters war die Materiallage, was die Originaldokumente betrifft, beim MGV jedoch gut. Gründungsdatum und Ort waren bekannt, sämtliche Protokollbücher vorhanden, lagerten bei Vorstandsmitglied Jürgen Ruf an dessen Arbeitsplatz, der Gerhart-Hauptmann-Schule in Rheinau-Süd. Ruf und sein Vorstandskollege Günter Friedrichs arbeiteten sie mehrere Wochen lang durch, um das Wichtigste herauszufiltern; Helmut Schmitt, der seine eigene Amtszeit lückenlos detailliert festgehalten hatte, steuerte aus seinen umfangreichen Fotoalben wertvolles Bildmaterial bei. Dank seiner ausgezeichneten Verbindungen gelang es ihm außerdem, den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg, Erwin Teufel, als Schirmherrn, und den Staatsminister im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, als Festredner zu gewinnen. Vor allem Letzteres war natürlich eine Sensation, galt Schmidbauer doch als enger Vertrauter von Bundeskanzler Helmut Kohl und als in seiner Funktion auch Koordinator aller deutschen Geheimdienste. Auf Grund dessen herrschte im Rheinauer Nachbarschaftshaus höchste Sicherheitsstufe und bereits im Vorfeld große Aufregung. Eine Stunde, bevor der hohe Gast eintreffen sollte, rückte die Hundestaffel der Polizei an, um unter die Bühne zu schnüffeln und den Keller zu durchsuchen. Den ganzen Nachmittag über blieb der Mannschaftswagen vor der Tür postiert, Revierführer Winfried Scherer schaute selbst nach dem Rechten. Schmidbauer sagte in seiner Rede: „Europa ist nicht nur Wirtschaft, Europa ist auch Kultur. Wir haben gemeinsame kulturelle Quellen, gerade in der Musik. Die Kontakte des MGV zu Chören in Tschechien und Kroatien machen dies deutlich: Musik ist eine universelle Sprache. Musik ist aber auch ein schöpferischer Akt. Trotz erweiterter Freizeitangebote wird es den Chorgesang daher immer geben. Chorgesang bietet seinen Aktiven eine dreifache Freude: in der künstlerischen Betätigung, in der Anerkennung, die sie findet, und der Freude, die sie anderen bereitet. Bewahren Sie sich Ihre ansteckende Freude.“ Weiter sagte der Minister: „Gerade in einer Zeit der Technisierung werden Vereine gebraucht, damit die Menschen sich wohlfühlen. Ihre Aktiven opfern ihre Freizeit für die kulturelle Bereicherung des Ganzen. Als Paradebeispiel können gelten: Helmut Schmitt, der 28 Jahre lang den Verein führte; der Mitgliederwart Jürgen Ruf, der durch seine akribische Archivführung die Festschrift ermöglichte; und Konstantin Groß, der sie unentgeltlich verfasste. Unsere Gesellschaft braucht Menschen wie diese.“ Und im Scherz fügte Schmidbauer hinzu: „Der Vorgänger heißt Helmut Schmitt, der Nachfolger Dieter Schmidt, da kann man bei der Anrede ja nie etwas falsch machen.“ Im Auftrag von Bundespräsident Roman Herzog überreichte Schmidbauer dem Vorsitzenden Dieter Schmidt die Zelterplakette des Bundespräsidenten, die alle Gesangvereine erhalten, die 100 Jahre alt werden. Nachdem Schmidbauer seine Rede gehalten hatte, waren selbst jene begeistert, die seinem Auftritt skeptisch gegenüber gestanden hatten – wegen der Verpflichtung des CDU-Politikers hatte es im Vorfeld sogar einen Austritt aus dem Verein gegeben. „Eine eindrucksvolle Rede“, so lautete das einhellige Urteil. Berichterstatter Helmut Losert schrieb im Nachklang in der Stadtteilzeitung „Rheinauer Boten“ den humorvollen Kommentar: „Erstaunlich seine Detailkenntnisse! So wusste Schmidbauer nicht nur den Namen des Vorsitzenden. Er lobte auch das von MM-Redakteur Konstantin Groß verfasste Festbuch. Hier stellt sich die Frage: Hat Schmidbauer Agenten in Rheinau, die ihn regelmäßig informieren?“
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