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Der Verein im Dritten Reich<br />
Die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 bildete auch einen<br />
tiefen Einschnitt in das Leben des Männergesangvereins 1896 Rheinau. In einem totalitären<br />
Staat, wie ihn die Nationalsozialisten bereits unmittelbar nach ihrer Machtergreifung<br />
zu formen begannen, durfte und konnte es keine Freiräume geben. Frühzeitig hatten<br />
die Nationalsozialisten die Bedeutung der Kultur für die Sicherung ihrer Macht und<br />
für die Verbreitung ihrer Ideologie erkannt und trachteten danach, alle in diesem Bereich<br />
haupt- und ehrenamtlichen Tätigen straff zu organisieren. Der Deutsche Sängerbund<br />
wurde in die Reichsmusikkammer eingegliedert, die wiederum Teil der vom<br />
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels gesteuerten Reichskulturkammer war.<br />
Das veränderte Klima zeigte sich bereits am 1. Mai 1933, den kurioserweise ausgerechnet<br />
Hitler kurz zuvor zum arbeitsfreien und bezahlten Feiertag gemacht hatte. Für<br />
diesen Tag waren alle Mannheimer Gesangvereine, also auch der <strong>MGV</strong> 1896 Rheinau,<br />
verpflichtet worden, zur zentralen Kundgebung im Rhein-Neckar-Stadion anzutreten.<br />
Schon morgens um halb acht – von Feiertag konnte also keine Rede sein – mussten sie<br />
sich auf dem Rheinauer Marktplatz einfinden und von dort zu Fuß nach Neuostheim<br />
marschieren. Im Stadion bildeten die Mannheimer Sänger einen Massenchor, der in der<br />
Tat eindrucksvoll gewesen sein muss. Vereinsschriftführer Schölch schwelgt im Protokollbuch<br />
über dieses Ereignis in bestem NS-Jargon: „Es war ein erhebender Anblick von<br />
der Terrassenhöhe auf die zusammengeballte Menschenmasse im Stadion-Inneren. Da<br />
stand der Arbeiter neben dem Beamten, der Handwerker neben dem Direktor, einig in dem<br />
Willen, mitzuhelfen am Wiederaufbau unseres so schwer daniederliegenden Vaterlandes“.<br />
Auch in Rheinau selbst wehte jetzt ein anderer Wind. Der rechtsnationalistische Krieger-<br />
und Militärverein bekam Oberwasser und konnte jetzt endlich sein jahrzehntelanges<br />
Ziel eines Kriegerdenkmals für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges durchsetzen.<br />
Am 10., 11. und 12. Juni 1933 fand die Einweihung im Rahmen eines dreitägigen Festes<br />
statt, und es war der Männergesangverein 1896, dem die musikalische Umrahmung<br />
dieser vaterländischen Feier oblag, vor allem des großes Festbanketts, das am Samstag,<br />
dem 10. Juni, auf dem Platz des Turnvereins Rheinau stattfand; dabei brachten die Sänger<br />
unter anderem das Lied „Das ist der Tag des Herrn“, und der Vereinsvorsitzende Heck<br />
überreichte dem Krieger- und Militärverein als Geschenk ein Bild „des Herrn Reichspräsidenten<br />
von Hindenburg“.<br />
Noch war es kein Bild des sogenannten „Führers“, doch auch das sollte sich bald ändern.<br />
„Um halb 7 eröffnete Herr Heck mit einem Heil Hitler die Sitzung“, begann das Protokoll<br />
der Vorstandssitzung vom 23. Juli 1933. Der NS-Geist hatte den Verein bereits voll<br />
im Griff, und das sollte umgehend auch institutionalisiert werden. Am 30. August 1933<br />
fand im Gasthaus „Rheinauhafen“ die sogenannte „Gleichschaltungsversammlung“<br />
statt. Über den Ablauf, mehr noch über die Atmosphäre dieser Veranstaltung, gibt das<br />
Protokoll beredet Auskunft:<br />
„Herr Heck eröffnete die Versammlung und begrüßte die anwesenden Gäste der NSDAP,<br />
Herrn Liehr, Wüst, Kammerer und Scholl. Heck verliest die Richtlinien des Badischen Sängerbundes<br />
für die Gleichschaltungsversammlung, wonach der zukünftige Vereinsführer nicht<br />
Nationalsozialist sein braucht, sondern nur national gesinnt sein muss. Herr Liehr erklärte