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hierauf, diese Richtlinien seien nicht maßgebend, sondern der Vereinsführer muss vor dem<br />
31. Januar 1933 Nationalsozialist gewesen sein. Liehr fragt die Anwesenden, ob sich ein solcher<br />
in der Versammlung befindet. Hierauf meldet sich der Sangesbruder Philipp Held. Herr<br />
Liehr bestimmte sodann Sangesbruder Philipp Held als Vereinsführer.<br />
Herr Heck wendet dagegen, dass doch nach den vorliegenden Richtlinien der alte Vorstand<br />
als Führer weiterwalten könne. Auch Sangesbruder Iser spricht sich für den ehemaligen<br />
Ersten Vorstand als zukünftigen Vereinsführer aus. Herr Heck betonte nochmals, dass doch<br />
seine seitherige Arbeit nur im Dienste der nationalen Idee gewesen sei und dass er den Übergang<br />
über seine Person nicht verstehe. Herr Liehr betonte, dass nur Herr Philipp Held als<br />
Führer in Betracht kommt, und als Herr Heck immer wieder Einwendungen macht, schloss<br />
Herr Liehr Kraft seines Amtes die Versammlung Schluss 11 Uhr“.<br />
Wenn man diese Sätze Revue passieren lässt, so ergibt sich eine Wertung, die dem<br />
Verein durchaus zur Ehre gereicht. Sie zeigen nämlich: Gegen den Willen zahlreicher<br />
Mitglieder im Verein setzte der Vertreter der NSDAP den bisherigen Vereinschef ab und<br />
ein ihm ergebenes Vereinsmitglied als Vorsitzenden ein, ohne darüber abstimmen zu<br />
lassen – offenbar in der nicht unbegründeten Furcht, für seine Marionette keine Mehrheit<br />
zu bekommen.<br />
Dem neuen Vereinsführer Philipp Held, von Beruf Schuldiener und Bruder des oben<br />
erwähnten Vinzenz Held, war der Widerstand seines Vorgängers Heck ein Dorn im Auge.<br />
Held trachtete danach, ihn mundtot zu machen oder zumindest seine Glaubwürdigkeit<br />
zu erschüttern. Dazu zog man eine alte Sache aus der Tasche, die im zurückliegenden<br />
Jahr in der Tat zu viel Unmut im Verein geführt hatte. Man kreidete Heck an, seine Frau<br />
habe die Vereinsfahne zu einem unangemessen hohen Preis restauriert; Auslagen für<br />
Porto und Telefon seien zu hoch ausgefallen und darüber hinaus durch keine Quittungen<br />
belegt gewesen. In einer Vereinsführerschafts-Sitzung wurde Heck mit diesen Anschuldigungen<br />
konfrontiert und ihm gedroht, sie weiter zu verfolgen, wenn er nicht<br />
endlich Ruhe gebe.<br />
Der zweite Schritt zur Gleichschaltung erfolgte bereits kurz danach: Die Eingliederung<br />
des Arbeitersängerbundes Rheinau am 10. Oktober 1933. Dieser der SPD nahestehende<br />
Verein durfte nach dem Verbot der Sozialdemokraten natürlich ebenfalls nicht<br />
länger weiterbestehen. Sein Vermögen – immerhin ein eigener Flügel und volle Notenschränke<br />
– war beschlagnahmt worden, seine Sänger durften sich aber anderen Vereinen<br />
anschließen. Einige Arbeitersänger wie Ludwig Gärtner wechselten zum Liederkranz,<br />
die Mehrheit unter dem Vorsitzenden Fritz Thomas jedoch beantragte, im <strong>MGV</strong><br />
1896 Mitglied werden zu dürfen.<br />
Im „Rheinauhafen“ kam es zu einem Treffen, bei dem für den ASB die Sänger Thomas,<br />
Kauffmann, Molitor, Birkenmaier, Haag sen. und Haag jun., Spilger, Zimmermann, Hoh,<br />
Ludwig, Heider und Arnold teilnahmen und für den <strong>MGV</strong> die Sänger Held, Heck, Hild,<br />
Kappes, Reffert, Iser, Stehler, Wehe sen. und Willi Weber. Aus den Protokollen ergibt<br />
sich, dass sich die <strong>MGV</strong>-Vertreter gegenüber den früheren Arbeitersängern ausgesprochen<br />
fair verhielten; so akzeptierten sie den Wunsch der Neulinge, ihre bisherigen Zeiten<br />
im ASB bei der Berechnung von Jubiläen anzurechnen. So wurde beispielsweise<br />
August Heckert, der nie zuvor beim <strong>MGV</strong> gesungen hatte, 1936 dessen Ehrenmitglied,<br />
weil ihm seine Zeiten beim Arbeitersängerbund angerechnet wurden.