21.10.2017 Aufrufe

20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Barça-Fans beim Champions-League-Spiel im April gegen Juventus Turin: „Die unbewaffnete Armee Kataloniens“<br />

MARCO BERTORELLO / AFP<br />

das Geschäft. „Wir haben gerade aufgrund<br />

der Situation in Katalonien unsere Verhandlungen<br />

mit der Türkei, Singapur und<br />

Indien ausgesetzt“, sagte in dieser Woche<br />

Javier Tebas, der stockkonservative Präsident<br />

der spanischen Liga.<br />

Tebas, gelinde gesagt kein Freund Kataloniens,<br />

lässt keine Gelegenheit aus, Barça<br />

vorzurechnen, wie desaströs die Unabhängigkeit<br />

und ein damit einhergehender Ausschluss<br />

vom Wettbewerb sein würde.<br />

Barça macht etwa ein Viertel des Umsatzes<br />

im spanischen Profifußball, Real Madrid<br />

ein weiteres Viertel. Den Rest teilen<br />

sich die anderen 40 Vereine der Primera<br />

und der Segunda División. Das mit Abstand<br />

beste Produkt der spanischen Liga<br />

ist „el clásico“, Barça gegen Real, der epische<br />

Kampf der beiden spanischen Fußballgiganten,<br />

den zuletzt eine halbe Milliarde<br />

Menschen auf der Welt sehen wollten.<br />

„Genauso wie Katalonien die Europäische<br />

Union verlassen würde, könnten die<br />

katalanischen Vereine nicht in der spanischen<br />

Liga bleiben. Ich glaube, dass die<br />

katalanische Liga ein wenig wie die holländische<br />

wäre“, erklärte Ligachef Tebas.<br />

Unbedeutend.<br />

Was er derzeit nicht sagt: Die spanische<br />

Liga wäre ohne Barcelona in derzeitiger<br />

Form ebenfalls nicht überlebensfähig.<br />

In Barcelona reagiert man unterschiedlich<br />

auf die Drohungen aus Madrid. Entweder<br />

komplett entrückt, wie Gerard Esteva,<br />

Sportbeauftragter der katalanischen<br />

Regierung. Er vertritt die These, dass der<br />

FC Barcelona im Falle einer Unabhängigkeit<br />

„das große Glück hätte, sich die Liga<br />

auszusuchen, in der er spielen“ wolle.<br />

Schließlich spiele in Spanien auch ein<br />

Team aus dem Kleinstaat Andorra und in<br />

Frankreich der AS Monaco.<br />

Die Verantwortlichen des FC Barcelona<br />

dagegen wissen, dass man etwa in einer<br />

katalanischen Liga, in der das viertbeste<br />

Team die eigene zweite Mannschaft ist,<br />

keine Zukunft hat. Die derzeitigen Budgetplanungen<br />

basieren darauf, dass sich<br />

nichts für den Verein ändert. Dass Barcelona<br />

weiterhin in exakt denselben Wettbewerben<br />

antritt wie bisher. Dass die Sponsoren<br />

weiterhin dabei bleiben, dass die<br />

Fernsehgelder fließen, dass Asien erobert<br />

wird. Dass der FC Barcelona ein weltumfassender<br />

Klub bleibt.<br />

Im Verein ist man sich sicher, dass am<br />

Ende niemand auf das einträgliche Geschäft<br />

verzichten möchte. Über drei Mil -<br />

liarden Euro hat die spanische Liga in diesem<br />

Jahr eingesammelt. Die Vereine, vor<br />

sechs Jahren noch völlig überschuldet, stehen<br />

dank der Zentralvermarktung der<br />

Fernsehrechte derzeit in der Summe gut<br />

da. Barcelonas Niedergang würde alle mit<br />

in den Abgrund ziehen.<br />

Aber ebenso groß wie der Druck aus<br />

der Hauptstadt sind die Forderungen der<br />

Befürworter einer Unabhängigkeit. Sie<br />

wollen, dass Barcelona endlich mit dem<br />

Herumgetanze aufhört und Flagge bekennt.<br />

Diese Woche eskalierte erstmals die Diskussion.<br />

Nachdem zwei bekannte Anführer<br />

der Unabhängigkeitsbewegung wegen<br />

„aufrührerischen Verhaltens“ in Untersuchungshaft<br />

gekommen waren, lud der Verein<br />

zwei Stellvertreter der Inhaftierten in<br />

die Ehrenloge zum Spiel gegen Olympiakos<br />

Piräus ein.<br />

Wieder ein kleines Zeichen Richtung<br />

Unabhängigkeitsbewegung. Wie immer etwas<br />

verdruckst. Die übliche Masche. <strong>Der</strong><br />

Verein bot gleich noch ein Banner an. Riesengroß:<br />

„Dialog, Respekt, Sport“.<br />

Den Ehrengästen reichte dies nicht.<br />

„Dialog, Respekt, Sport? Was soll das heißen,<br />

das ist einfach nur dämlich“, sagte einer.<br />

Man hatte ein eigenes Großplakat mit<br />

zum Spiel gebracht, das vor der Begegnung<br />

auf dem Vorplatz des Stadions ausgebreitet<br />

wurde. Darauf sah man die Gesichter<br />

der beiden Inhaftierten, darunter<br />

das Wort „Freiheit“.<br />

Barçá war das aber zu heikel. Man entschied<br />

sich dagegen, das Banner aufzuhängen.<br />

Die beiden Vertreter weigerten sich<br />

daraufhin, zum Spiel zu kommen.<br />

<strong>Der</strong> Verein hat nun alle in Katalonien<br />

verärgert, Sezessionisten und Unionisten.<br />

Zumindest alle diejenigen, für die der FC<br />

Barcelona mehr ist als einfach nur ein<br />

Klub.<br />

■<br />

DER SPIEGEL 43 / 2017<br />

103

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!