20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin
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„Die Praxis wird über den Erfolg der Theorie entscheiden. Die<br />
Jugendlichen der Vorstädte wird man nicht mit Mozart erreichen.“<br />
Gernot Hilge, Münster<br />
Ein Lichtblick ist er allemal<br />
Nr. 42/2017 „Ich bin nicht arrogant.<br />
Ich sage und tue, was ich mag.“ SPIEGEL-Gespräch<br />
mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron<br />
Was für ein wunderbares Interview. Von<br />
Macrons Worten geht eine beeindruckende<br />
Kraft aus, die mir Mut macht. Allein der<br />
Satz „Ehrgeiz ist nie bescheiden“ ist ein<br />
Diktum fürs Zitatelexikon. Er scheint mir<br />
nicht nur „Frankreichs letzte Chance“ zu<br />
sein, sondern Europas größte (und dringend<br />
benötigte) Chance.<br />
Prof. Dr. Florian Krötz, München<br />
Emmanuel Macron ist eine charismatische<br />
Blendgranate. <strong>Der</strong> kleine Sonnenkönig aus<br />
Frankreich möchte ein neues Europa, sein<br />
neues Europa. Nicht mehr Demokratie,<br />
nicht Stärkung der Regionen, nicht mehr<br />
Bürgerbeteiligung oder gar direktdemokratische<br />
Elemente, sein Ziel ist die Schaffung<br />
eines europäischen Superstaats, geführt<br />
und gelenkt von einer technokratischen<br />
Elite. Eine Fata Morgana der Arroganz.<br />
Raffaele Ferdinando Schacher, Rorschach (Schweiz)<br />
Dass der Herr Macron Journalisten genau<br />
an dem Tag einlädt, an dem er am Abend<br />
das „kleine Volk“ – Schulklassen aus sozial<br />
schwachen Vierteln, Angestellte des Palasts<br />
mit ihren Familien – im Palast zu einem<br />
Konzert einlädt, entlarvt eine beispiellose<br />
Inszenierung dieses Präsidenten, der<br />
sich „volksnah“ geben will. Er hat ja wohl<br />
in den wenigen Monaten, die er in seinem<br />
Schloss verbracht hat, viel an Spontaneität<br />
verloren und übt sich jetzt darin, den Menschen<br />
da draußen ein bürgernahes Bild<br />
von sich selbst zu geben. Was für ein<br />
Schmierentheater! Außer Privilegien für<br />
die Elite Frankreichs abzuschaffen, hat er<br />
bis jetzt so gut wie gar nichts geleistet.<br />
Brigitte Wolfsteiner, Merkenbach (Hessen)<br />
Wegen Macron auf dem Titel habe ich mal<br />
wieder den SPIEGEL gekauft und bin mehr<br />
als überrascht worden. Tolles Interview!<br />
<strong>Der</strong> Leitartikel von Barbara Supp war auch<br />
gut! Und gefallen haben mir auch die Artikel<br />
zum Fall Weinstein und zum Klima.<br />
Dr. Beate Mücke, Berlin<br />
Was ist denn nun eigentlich Macrons „Erzählung“?<br />
Gerade im SPIEGEL wird in letzter<br />
Zeit sehr häufig die Wichtigkeit der<br />
„Erzählung“ in der Politik beschworen.<br />
Was das eigentlich bedeuten soll, wird dabei<br />
großzügig im Unklaren belassen. Als<br />
Beispiel für etwas einer Erzählung zumindest<br />
Ähnliches fällt mir der Ursprungs -<br />
mythos der Goten ein. Natürlich konnten<br />
auch die Nazis und andere totalitäre Regime<br />
ihre Herrschaft auf eine Fülle von Erzählungen<br />
stützen. All diese Erzählungen<br />
haben gemeinsam, dass es sich um dreiste,<br />
wenn auch meist sehr elaborierte Lügengeschichten<br />
handelt, die fast immer dazu<br />
dienen, eine sehr autoritäre Regierung<br />
zu legitimieren. Ist es also das, was der<br />
SPIEGEL gemeinsam mit Macron in der<br />
europäischen Politik vermisst? Oder ist<br />
Ihnen vielleicht doch nur der Begriff der<br />
politi schen Vision zu abgedroschen?<br />
Colin Sauter, Stuttgart<br />
Präsident Macron, SPIEGEL-Redakteure<br />
Dieses großartige Gespräch in einem großartigen<br />
Ambiente erinnert mich an Gedanken<br />
des ebenfalls großartigen Essayisten<br />
und Frankreichliebhabers Friedrich Sieburg<br />
aus dem Jahre 1939 in seinem „Blick<br />
durchs Fenster“. Nein, nein, Frankreich sei<br />
gegen das Heroische, Napoleons Heldentum<br />
mit der französischen Art nicht vereinbar,<br />
das Lebensgefühl dieses egoistischen<br />
und gesunden Volkes habe die Idee<br />
des Heldischen wie einen Bazillus ausgeschieden.<br />
Wird das Heldentum durch den<br />
Präsidenten Macron möglicherweise erneut<br />
entflammt werden können?<br />
Karl-Heinz Groth, Goosefeld (Schl.-Holst.)<br />
Was hat eine Vermögensteuer mit Neid zu<br />
tun? Jedes Vermögen in Unternehmerhand<br />
wurde maßgeblich von Arbeitern und Angestellten<br />
mitverdient, die Steuer kann als<br />
Anzahlung für ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />
verwendet werden, zur Ankurbelung<br />
der Wirtschaft. Denn hier<br />
kommt eine Tatsache ins Spiel, die Herr<br />
Macron offenbar nicht verinnerlicht hat:<br />
„Alle Wirtschaft geht vom Bürger aus“,<br />
also von Leuten wie Ihnen und mir. Ein<br />
einfaches Gedankenexperiment mag dies<br />
verdeutlichen: Wenn der Bürger nichts<br />
JEROME BONNET / DER SPIEGEL<br />
kauft, kann der Unternehmer noch so viel<br />
investieren – es kommt dabei nur Investitionsonanie<br />
heraus. Oder Überproduktion.<br />
Wolfgang Luckner, Bonn<br />
Herr Macron hat nett geplaudert. Zu sagen<br />
hat er den einfachen Franzosen und Deutschen<br />
jedoch nichts, was uns Malochern<br />
wichtig wäre, denn wie seine geschätzte<br />
Kollegin Frau Merkel lebt er in einer Welt,<br />
die mit dem Leben der kleinen Leute nun<br />
überhaupt nichts zu tun hat.<br />
Guido Zander, Brügge (Schl.-Holst.)<br />
Fast so gut wie Wehner<br />
Nr. 41/2017 SPIEGEL-Gespräch mit Gregor Gysi über<br />
sein Leben in der DDR und Humor in der Politik<br />
Schon lange bin ich beim Lesen nicht mehr<br />
so unterhalten worden. Nebenbei liefert<br />
Gysi auch noch die Erklärungen, warum die<br />
AfD im Osten so erfolgreich ist. Das fängt<br />
mit der damals so hochgelobten Bürgerbewegung<br />
an. Gegen vieles sein, aber keinen<br />
konstruktiven Vorschlag bringen – heißt das<br />
nicht jetzt AfD? Dann dieses Dauergenöle<br />
von selbst ernannten Gutmenschen, die den<br />
Ossi erziehen wollen. Wie heißt es so schön:<br />
Erst wenn der letzte inquisitorische Eiferer<br />
damit aufhört, mit der Unrechtsstaatkeule<br />
auf die ostdeutschen Normalbürger einzudreschen,<br />
werdet ihr merken, dass die bundesdeutsche<br />
Grundordnung auf unaufge -<br />
arbeitetem braunen Sumpf aufbaut. Aber<br />
zu diesem Thema gibt es keinen Aufschrei,<br />
keinen Generalverdacht, dem sich die westdeutsche<br />
Bevölkerung stellen müsste. <strong>Der</strong><br />
gilt nur für den Osten. Den Menschen, die<br />
ihr Arbeitsleben hier verbrachten, jetzt eine<br />
geringe Rente haben und zusehen mussten,<br />
wie größtenteils drittklassige Westimporte<br />
ihre Arbeitsplätze plattmachten und sich<br />
selbst die bestbezahlten Posten sicherten,<br />
wird nach wie vor von der Politik suggeriert,<br />
Menschen zweiter Klasse zu sein. Gysi und<br />
Marx haben etwas gemeinsam: Ihre Analyse<br />
ist richtig. Es nutzt nur nix. Die Macht haben<br />
andere.<br />
Bodo Lehmann, Dahme/Mark (Brandenb.)<br />
Ich hätte Gysi als Bundeskanzler gewählt,<br />
wenn es denn die Gelegenheit gäbe. <strong>Der</strong><br />
eloquenteste und einer der intelligentesten<br />
Parlamentarier der letzten Jahrzehnte.<br />
Fast so gut wie Wehner.<br />
Helmut Neff, Karlsruhe<br />
Die markanten Punkte des Gesprächs<br />
bestätigen meine Meinung über Gysi als<br />
Prototyp des glatten Winkeladvokaten, der<br />
144 DER SPIEGEL 43 / 2017