20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sport<br />
Das Echo<br />
der Hurensöhne<br />
Basketball Donald Trump hat sich mit den schwarzen<br />
Sportlern angelegt. Auch mit dem derzeit<br />
größten NBA-Star. Ein Treffen mit Stephen Curry<br />
in der Umkleidekabine. Von Philipp Oehmke<br />
Eine halbe Stunde nach dem Spiel gegen<br />
Denver steht Stephen Curry, nur<br />
ein Handtuch um die Hüfte gebunden<br />
und mit Badelatschen an den Füßen,<br />
in der Umkleidekabine der Golden State<br />
Warriors.<br />
Er hat lange geduscht. Die Umkleide -<br />
kabine leert sich langsam. Die meisten wollen<br />
schnell nach Hause. Am nächsten Tag<br />
steht für die derzeit beste Basketballmannschaft<br />
der Welt ein 14-Stunden-Flug nach<br />
China an, vor dem es den Spielern offenbar<br />
graut. Es ist eine dieser Marketing reisen,<br />
wie sie Bayern München auch macht.<br />
Stephen Curry ist der größte Star der<br />
NBA, der vielleicht begabteste Spieler seit<br />
Michael Jordan. Und derzeit einer der<br />
größten Gegenspieler von Präsident Donald<br />
Trump. „Wir haben hier eine große<br />
Plattform, eine gewaltige Stimme, die wir<br />
nutzen müssen“, sagt Curry vor seinem<br />
Spind. „Wir müssen darauf aufmerksam<br />
machen, was in diesem Land unter diesem<br />
Präsidenten gerade alles schiefläuft.“<br />
<strong>Der</strong> Streit mit Trump hatte Ende September<br />
begonnen. Damals hatte Curry erklärt,<br />
dass er bei einer teaminternen Abstimmung<br />
über die Einladung ins Weiße<br />
Haus sicherlich mit Nein stimmen werde,<br />
wenn er sich überlege, was dessen Hausherr<br />
in diesem Land anrichte. Traditionell<br />
empfängt der US-Präsident die wichtigsten<br />
Meisterteams des Landes. Currys Wor -<br />
te waren so gelassen gesprochen, wie er<br />
Basketball spielt: anstrengungslos, fast<br />
abwesend.<br />
Trump war jedoch über Currys Aussage<br />
so beleidigt, dass er die Warriors über Twitter<br />
auslud. <strong>Der</strong> Präsident, der sich so sehr<br />
die Anerkennung von Soldaten und Sportlern<br />
wünscht, hatte mit den Warriors<br />
schnell noch Schluss gemacht, bevor sie<br />
mit ihm Schluss machen konnten. So hatte<br />
es der Warriors-Headcoach Steve Kerr anschließend<br />
formuliert.<br />
Schon seit einigen Wochen herrscht ein<br />
Krieg der Worte zwischen Trump und den<br />
98 DER SPIEGEL 43 / 2017<br />
Profisportlern in den USA. Colin Kaepernick,<br />
der damalige Quarterback des Footballteams<br />
der San Francisco 49ers, hatte<br />
ihn im vergangenen Jahr ausgelöst, indem<br />
er sich beim Abspielen der US-Nationalhymne<br />
hinkniete, um gegen die Ungleichbehandlung<br />
der Schwarzen und gegen<br />
Polizeigewalt in den USA zu demonstrieren.<br />
Immer mehr Spieler der Footballliga<br />
NFL hatten sich ihm angeschlossen.<br />
Dann schwappte der Protest auf an de -<br />
re Sportarten über und landete auch im<br />
Basketball.<br />
Schließlich war der Streit eskaliert. Auf<br />
einer seiner geliebten Wahlkampfveranstaltungen<br />
in Alabama – die Trump abhält,<br />
auch wenn kein Wahlkampf ist – hatte er<br />
die schwarzen Footballspieler angegriffen,<br />
die sich vor den Spielen bei der Nationalhymne<br />
weigern strammzustehen. Trump<br />
sprach indirekt auch über Kaepernick, der<br />
seinen Job verloren hatte.<br />
Darauf spielte Trump an, als er brüllte:<br />
„Würde es euch nicht gefallen, dass einer<br />
der NFL-Teambesitzer, sobald jemand<br />
unsere Flagge nicht respektiert, sagt:<br />
Schmeißt den Hurensohn vom Feld, und<br />
zwar sofort! Er ist gefeuert! Er ist gefeuuuuert!“<br />
In dieser Aussage schwang aber noch etwas<br />
anderes mit, nämlich Rassismus. Die<br />
Besitzer der Teams sind fast alle weiß, die<br />
meisten Zuschauer ebenfalls. Nur die Athleten<br />
sind zum größeren Teil Afroamerikaner.<br />
Die weißen Besitzer sollen also für<br />
den patriotischen Seelenfrieden des weißen<br />
Publikums die schwarzen Akteure feuern,<br />
wenn die nicht spuren.<br />
Zufällig, ohne Trumps Aussagen zu kennen<br />
und somit fast prophetisch, hatte Stephen<br />
Curry zur gleichen Zeit seine Unlust<br />
vorgetragen, das Weiße Haus zu besuchen.<br />
Als er von Curry gehört hatte, am frühen<br />
Samstagmorgen, zu jener Tageszeit<br />
also, zu der sich der Präsident offenbar<br />
stets am verletzlichsten fühlt, hatte Trump<br />
daraufhin seinen Tweet gegen Curry ab-<br />
gesetzt und einem weiteren afroamerikanischen<br />
Sportler den Krieg erklärt.<br />
Beim ersten öffentlichen Auftritt der<br />
Warriors nach dem Trump-Eklat war die<br />
Oracle Arena in Oakland Ende September<br />
ausverkauft, obwohl es nur ein Vorbereitungsspiel<br />
war. Zu Gast waren die Denver<br />
Nuggets. Die Champions verloren 108 zu<br />
102. Curry sorgte lediglich für 11 Punkte,<br />
vergangene Saison machte er im Durchschnitt<br />
25,3.<br />
Curry steht danach allein vor seinem Spind<br />
aus Edelholz, zieht sich eine Unterhose<br />
seines Sponsors an und zwängt sich in eine<br />
sehr teure Jeans mit vielen aufgeribbelten<br />
Stellen. Niemand spricht ihn an. Dabei gilt