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20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin

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Die Zukunft<br />

Die Provinz durchlebt, was Deutschland insgesamt<br />

bevorsteht. Das Land als Experimentierfeld.<br />

„Das Land leidet an kollektiver Depression<br />

und Lethargie“, sagt Gabriela Christmann<br />

vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung<br />

in Erkner. Wenig überraschend,<br />

wenn jahrzehntelang das Ergebnis<br />

beinahe jeder Studie gewesen sei: Das Land<br />

stirbt. „Es gab immer nur Negativbotschaften“,<br />

sagt Christmann. „Diesen Diskurs<br />

müssen wir umdrehen und die Chancen auf<br />

dem Land in den Vordergrund stellen.“<br />

Um die Chancen zu nutzen, braucht es<br />

Zugang zu Wissen ebenso wie den Einsatz<br />

der Menschen, die dort leben. Ländliche<br />

Räume, das sagen Forscher ebenso wie Politiker,<br />

werden wieder wichtiger. Nachdem<br />

sich Aufmerksamkeit und Förderung in den<br />

vergangenen Jahrzehnten auf die Metropolregionen<br />

richteten, rückt jetzt das Land in<br />

den Blickpunkt: Dörfer und Gemeinden,<br />

aber auch Städte wie Offenbach, Halle, Kaiserslautern<br />

oder Bremerhaven, Wismar oder<br />

Itzehoe. Land ist wichtig: als Kraftzentrum,<br />

als Erholungsraum, auch als Gegenentwurf.<br />

Was die Provinz gerade durchlebt, ist in<br />

manchem auch ein Vorgriff auf die Zukunft<br />

Deutschlands insgesamt. Manche Veränderungen,<br />

die den Metropolregionen noch bevorstehen,<br />

sind hier längst angekommen.<br />

Für die Überalterung etwa gilt das allemal.<br />

Um seine Bevölkerungszahl stabil zu<br />

halten, das hat die Uno vor ein paar Jahren<br />

ausgerechnet, müssten jährlich rund<br />

350000 Zuwanderer nach Deutschland<br />

kommen. Um das Verhältnis von Erwerbstätigen<br />

zu Älteren aufrechtzuerhalten,<br />

brauchte es über 3,6 Millionen im Jahr.<br />

Das ist unrealistisch. Werden diese Zahlen<br />

verfehlt, dann wäre das Land Vorreiter eines<br />

grundlegenden Strukturwandels. Die Menschen<br />

in den „ländlichen Räumen“ erproben<br />

schon jetzt, wie die Deutschen künftig leben<br />

werden – als Pioniere, nicht als Abgehängte.<br />

Gerade auf dem Land gebe es Freiräume,<br />

um Neues auszuprobieren, sagt Markus<br />

Mempel vom Deutschen Landkreistag.<br />

„Das kann alles Mögliche sein, von großen<br />

Rechnerfarmen über Flächen für Künstler<br />

und andere Freigeister oder große Höfe,<br />

in denen man Mehrgenerationenhäuser<br />

einrichten kann“, sagt Mempel.<br />

Deutschlands Zukunft ist in manchem<br />

eher in der Provinz zu besichtigen, nicht<br />

in den Städten. Das gilt für die Probleme –<br />

und die Lösungen.<br />

Kathrin Elger, Hauke Goos, Isabell Hülsen,<br />

Nils Klawitter, Martin U. Müller, Philipp Seibt<br />

Interaktive Karten: Wie steht Ihr Landkreis<br />

da? www.spiegel.de/Gelobtes-Land/<br />

Staatschef Kim in einer Lebensmittelfabrik in Pjöngjang: „Wir müssen akzeptieren, dass es mit Nordkorea<br />

„Kim wird nicht aufgeben“<br />

Sanktionen Die USA, die EU und die Uno setzen Nordkorea<br />

mit Handelsbeschränkungen unter Druck. <strong>Der</strong> Ökonom<br />

Rolf Langhammer bezweifelt den Sinn solcher Maßnahmen.<br />

Langhammer, 70, ist Handelsexperte am Institut<br />

für Weltwirtschaft in Kiel.<br />

SPIEGEL: Eine Lösung im Nordkoreakonflikt<br />

scheint fern: Je härter der Westen sanktioniert,<br />

desto eifriger testet Kim die Atombom -<br />

be. Sind Sanktionen das richtige Mittel?<br />

Langhammer: Die Erfolgsbilanz von Wirtschaftssanktionen<br />

ist, um es vorsichtig zu<br />

sagen, bescheiden. Untersuchungen zeigen,<br />

dass in der Vergangenheit kaum 30 Prozent<br />

der verhängten Sanktionen erfolgreich waren.<br />

Es gibt Forscher, die die Erfolgsrate<br />

noch geringer schätzen. Davon abgesehen,<br />

ist es oft schwer, einen kausalen Zusammenhang<br />

zwischen diesen Maßnahmen<br />

und möglichen Erfolgen zu begründen.<br />

SPIEGEL: Warum?<br />

Langhammer: Meist liegt eine lange Zeitspanne<br />

zwischen der Verhängung der<br />

Sanktionen und Veränderungen in der<br />

Politik. Es gibt viel Raum für andere Einflussfaktoren.<br />

SPIEGEL: Wie wahrscheinlich ist es, dass<br />

Nordkorea unter dem Druck der Sanktionen<br />

auf sein Atomprogramm verzichtet?<br />

Langhammer: Kim hat zwei Rettungsleinen:<br />

eine interne – die Fähigkeit, die Atombombe<br />

zu bauen. Und eine externe – die schützende<br />

Hand Chinas. Das Atomprogramm<br />

garantiert sein politisches Überleben im eigenen<br />

Land; er wird es auf keinen Fall aufgeben.<br />

Was China angeht: Wir sind einerseits<br />

darauf angewiesen, dass China sich<br />

an den Sanktionen beteiligt, andererseits<br />

gibt es gerade an Chinas Rolle Zweifel.<br />

SPIEGEL: Inwiefern?<br />

Langhammer: Wenn Nordkorea weniger<br />

Kohle, Textilien und Arbeitskräfte absetzen<br />

kann als bisher, müssten die chinesischen<br />

Einfuhren eigentlich zurückgehen.<br />

Wir wissen aber nicht, ob das der Fall ist.<br />

SPIEGEL: Die Uno hat gerade beschlossen,<br />

30 Prozent weniger Öl nach Nord korea zu<br />

liefern. Das Öl kommt hauptsächlich aus<br />

China.<br />

Langhammer: Unser Problem ist: Wir wissen<br />

auch nicht, welche Menge Öl China tatsächlich<br />

liefert. Denn seit Dezember 2013<br />

veröffentlichen die Chinesen keine Zahlen<br />

über das Exportvolumen mehr. Die Frage<br />

ist also: 30 Prozent wovon? Wie viel Öl<br />

68 DER SPIEGEL 43 / 2017

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