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SPIEGEL: Schopenhauer liebte seinen Pudel,<br />

Sie liebten Ihren Corgi Clément. Sie haben<br />

ihm sogar ein Denkmal gesetzt. Haben Sie<br />

sich wieder einen Hund angeschafft?<br />

Houellebecq: Nein, ich lebe ja seit einigen<br />

Jahren in Paris, und Paris ist für Hunde<br />

die Hölle. Das ist ein Skandal. Überall ist<br />

der Zutritt für Hunde verboten. Wozu gibt<br />

es öffentliche Parkanlagen, wenn Hunde<br />

nicht hineindürfen? Frankreich ist in dieser<br />

Hinsicht ein äußerst ärgerliches Land, mit<br />

einer lachhaften Leidenschaft für die Regulierung<br />

des täglichen Lebens.<br />

SPIEGEL: Ein finsteres und von der Verwaltungsbürokratie<br />

beherrschtes Land, haben<br />

Sie einmal geschrieben.<br />

Houellebecq: Das stimmt mehr denn je, und<br />

auch Macron wird daran nichts ändern.<br />

SPIEGEL: Offenkundig haben Sie eine anarchistische<br />

Seite. Ihre Romane sind subversiv,<br />

aber im intellektuellen Diskurs werden<br />

Sie als Neoreaktionär stigmatisiert. Macht<br />

Ihnen das was aus?<br />

Houellebecq: Ich war zufrieden damit, es<br />

war fast eine Ehre, denn ich befand mich<br />

damit in guter Gesellschaft. Das Wort neoreaktionär<br />

jagt heute in Frankreich keinem<br />

mehr einen Schrecken ein. Die Linke ist<br />

hierzulande wirklich bösartig geworden.<br />

Man wird jedes Mal angeklagt, wenn man<br />

etwas sagt. Man wird unter Beobachtung<br />

gestellt. Die linken Gesinnungswächter<br />

sind seit einiger Zeit wahrhaft unausstehlich<br />

geworden. Sie verhalten sich wie ein<br />

Tier, das in der Falle sitzt und fühlt, dass<br />

es bald zu Ende ist.<br />

SPIEGEL: Auch wenn es Ihnen schmeichelt,<br />

als reaktionär gescholten zu werden, so<br />

sind Sie doch ebenso wenig eine Ikone der<br />

Rechten.<br />

Houellebecq: Die Bourgeoisie mag mich<br />

nicht, weil sie sich durch mich besudelt<br />

fühlt – zu viel Sex –, und die harte, eingefleischte<br />

Rechte mag mich nicht, weil ich<br />

ihre Heldenverehrung ganz und gar nicht<br />

teile. Ich bin nicht der neue Louis-Ferdinand<br />

Céline. Ich möchte um keinen Preis<br />

so schreiben wie Céline, sein Stakkato, seine<br />

Atemlosigkeit, seine Punktierung, sein<br />

Stil – das alles gefällt mir überhaupt nicht.<br />

SPIEGEL: Anders als Céline hassen Sie nicht.<br />

Houellebecq: Ich bin nicht einmal aggressiv.<br />

Die kulturelle Rechte in Frankreich lehnt<br />

mich ab, weil ich nicht zu ihren Husaren<br />

oder Neohusaren gehöre. Ich stehe überhaupt<br />

nicht in ihrer Tradition, die bis in<br />

die Vierzigerjahre zurückreicht. Viele von<br />

ihnen waren Kollaborateure wie Céline<br />

oder Paul Morand, ein übler Dreckskerl.<br />

SPIEGEL: Lässt sich die in Deutschland wie<br />

in Frankreich wiederentdeckte Bewunderung<br />

für Albert Camus damit erklären,<br />

dass er schon früh eine nicht marxistische,<br />

humanistische Linke vertrat?<br />

Houellebecq: Da es mit dem Marxismus und<br />

Sartre vorbei ist, bleibt Camus als Galionsfigur<br />

eines linken Milieus, das noch immer<br />

126 DER SPIEGEL 43 / 2017

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