20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin
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SPIEGEL: Schopenhauer liebte seinen Pudel,<br />
Sie liebten Ihren Corgi Clément. Sie haben<br />
ihm sogar ein Denkmal gesetzt. Haben Sie<br />
sich wieder einen Hund angeschafft?<br />
Houellebecq: Nein, ich lebe ja seit einigen<br />
Jahren in Paris, und Paris ist für Hunde<br />
die Hölle. Das ist ein Skandal. Überall ist<br />
der Zutritt für Hunde verboten. Wozu gibt<br />
es öffentliche Parkanlagen, wenn Hunde<br />
nicht hineindürfen? Frankreich ist in dieser<br />
Hinsicht ein äußerst ärgerliches Land, mit<br />
einer lachhaften Leidenschaft für die Regulierung<br />
des täglichen Lebens.<br />
SPIEGEL: Ein finsteres und von der Verwaltungsbürokratie<br />
beherrschtes Land, haben<br />
Sie einmal geschrieben.<br />
Houellebecq: Das stimmt mehr denn je, und<br />
auch Macron wird daran nichts ändern.<br />
SPIEGEL: Offenkundig haben Sie eine anarchistische<br />
Seite. Ihre Romane sind subversiv,<br />
aber im intellektuellen Diskurs werden<br />
Sie als Neoreaktionär stigmatisiert. Macht<br />
Ihnen das was aus?<br />
Houellebecq: Ich war zufrieden damit, es<br />
war fast eine Ehre, denn ich befand mich<br />
damit in guter Gesellschaft. Das Wort neoreaktionär<br />
jagt heute in Frankreich keinem<br />
mehr einen Schrecken ein. Die Linke ist<br />
hierzulande wirklich bösartig geworden.<br />
Man wird jedes Mal angeklagt, wenn man<br />
etwas sagt. Man wird unter Beobachtung<br />
gestellt. Die linken Gesinnungswächter<br />
sind seit einiger Zeit wahrhaft unausstehlich<br />
geworden. Sie verhalten sich wie ein<br />
Tier, das in der Falle sitzt und fühlt, dass<br />
es bald zu Ende ist.<br />
SPIEGEL: Auch wenn es Ihnen schmeichelt,<br />
als reaktionär gescholten zu werden, so<br />
sind Sie doch ebenso wenig eine Ikone der<br />
Rechten.<br />
Houellebecq: Die Bourgeoisie mag mich<br />
nicht, weil sie sich durch mich besudelt<br />
fühlt – zu viel Sex –, und die harte, eingefleischte<br />
Rechte mag mich nicht, weil ich<br />
ihre Heldenverehrung ganz und gar nicht<br />
teile. Ich bin nicht der neue Louis-Ferdinand<br />
Céline. Ich möchte um keinen Preis<br />
so schreiben wie Céline, sein Stakkato, seine<br />
Atemlosigkeit, seine Punktierung, sein<br />
Stil – das alles gefällt mir überhaupt nicht.<br />
SPIEGEL: Anders als Céline hassen Sie nicht.<br />
Houellebecq: Ich bin nicht einmal aggressiv.<br />
Die kulturelle Rechte in Frankreich lehnt<br />
mich ab, weil ich nicht zu ihren Husaren<br />
oder Neohusaren gehöre. Ich stehe überhaupt<br />
nicht in ihrer Tradition, die bis in<br />
die Vierzigerjahre zurückreicht. Viele von<br />
ihnen waren Kollaborateure wie Céline<br />
oder Paul Morand, ein übler Dreckskerl.<br />
SPIEGEL: Lässt sich die in Deutschland wie<br />
in Frankreich wiederentdeckte Bewunderung<br />
für Albert Camus damit erklären,<br />
dass er schon früh eine nicht marxistische,<br />
humanistische Linke vertrat?<br />
Houellebecq: Da es mit dem Marxismus und<br />
Sartre vorbei ist, bleibt Camus als Galionsfigur<br />
eines linken Milieus, das noch immer<br />
126 DER SPIEGEL 43 / 2017