20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin
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#WirAuch<br />
Protokolle In sozialen Netzwerken berichten Millionen Menschen unter dem Hashtag #MeToo von<br />
sexuellen Belästigungen und Vergewaltigungen. Zwölf von ihnen erzählen im SPIEGEL ihre Geschichte.<br />
Hashtag-Illustration<br />
„Zufällig die Hand am Po“<br />
Flugbegleiterin, 31, aus Frankfurt am Main<br />
„Ich arbeite jetzt seit fast zehn Jahren als<br />
Flugbegleiterin, zuerst in der Schweiz,<br />
dann für eine kleine Regionallinie und<br />
nun bei Lufthansa. Man gewöhnt sich daran,<br />
angeglotzt zu werden. Einmal sagte<br />
ein Passagier zu mir, er finde es erotisch,<br />
dass man meinen BH durch die weiße<br />
Bluse sehen könne. Seitdem trage ich<br />
fast immer die Uniformjacke. Sitze ich<br />
am Notausgang Passagieren gegenüber<br />
oder neben ihnen, wollen Männer häufiger<br />
ein Gespräch anfangen, da wird man<br />
auch schon mal gefragt, ob man einen<br />
Freund hat oder was man denn heute<br />
Abend so vorhabe. Ein Mann hat mal angestrengt<br />
auf meinem Mitarbeiterausweis<br />
meinen Namen entziffert und mir dann<br />
eine Freundschaftsanfrage bei Facebook<br />
geschickt – wir standen noch am Boden.<br />
Wenn man beim Service mit dem<br />
Wagen durch den Gang läuft, hat man immer<br />
mal wieder einen Arm oder auch<br />
eine Hand am Po, zufälligerweise passiert<br />
das immer nur Männern, aber vielleicht<br />
sind die auch breiter und sitzen mehr im<br />
Gang. Am schlimmsten sind arabische<br />
Gäste, die denken, wir gehörten ihnen,<br />
und sie hätten dafür mit ihrem Ticket bezahlt.<br />
Ich habe mal ein Praktikum in einer<br />
unserer Lounges gemacht. Es gibt<br />
dort Badewannen. Ein arabisch aussehender<br />
Passagier wollte, dass ich mit ihm ins<br />
Badezimmer komme, ich bin schnell weggegangen.<br />
Die meisten Passagiere verhalten<br />
sich sehr anständig, vor allem die<br />
Vielflieger. In der First Class sind die Gäste<br />
am zurückhaltendsten, am schlimmsten<br />
sind Reisende in der Businessclass.<br />
Ein schnöseliger Typ mit silberner Rolex-<br />
Uhr fragte mich mal, ob ich schon Sex<br />
in einem Flugzeug gehabt hätte. Ich finde<br />
solche Fragen unverschämt, er ist aber<br />
Kunde, und ich muss höflich bleiben.<br />
Die Geschichten über wilde Orgien<br />
zwischen Piloten und Flugbegleitern sind<br />
hingegen völlig übertrieben, und es<br />
nervt, wenn man sich das immer wieder<br />
anhören muss. Unsere Umläufe sind sehr<br />
kurz geworden, oft ist man nur für eine<br />
Nacht im Hotel, alle sind müde und wollen<br />
nur noch schlafen. Zwar gibt es immer<br />
wieder auch Paare unter dem Personal,<br />
aber das ist kein wildes Jeder-mit-<br />
Jedem. Ich habe es nie erlebt, dass mich<br />
Cockpitpersonal bedrängt hat, über ein<br />
bisschen Flirten ging das nie hinaus.“<br />
FRANCESCO CICCOLELLA / DER SPIEGEL<br />
18 DER SPIEGEL 43 / 2017