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20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin

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Eingang des VIP-Bereichs im Country Club: Treffpunkt von Politikern und windigen Geschäftemachern<br />

CHRISTIAN WERNER / DER SPIEGEL<br />

92 DER SPIEGEL 43 / 2017<br />

und Zuflucht in einer von Religion und<br />

Krieg zerrütteten Stadt.<br />

„Die Somalis“, sagt Moalin, „haben im<br />

Krieg viel verloren, vor allem ihre Seele.“<br />

Als das Mörserfeuer die Stadt in Flammen<br />

aufgehen ließ, sei auch die Moral ausgebrannt.<br />

Zurück blieb nur der nackte Wille<br />

zum Überleben. Mitgefühl und Menschlichkeit<br />

seien verschwunden, sagte Moalin.<br />

Mogadischu wurde zu einer skrupellosen<br />

Finanzmetropole der anderen Art.<br />

An einem Tisch weit hinten im Garten,<br />

wo die Wasserpfeifen in langen Reihen stehen,<br />

sitzt ein kleiner, gedrungener Mann<br />

mit weichem Gesicht und amerikanischem<br />

Ostküstenakzent, mit viel Pomade im<br />

Haar und einem schmal geschnittenen<br />

Anzug. Mohamed Said ist Abgeordneter<br />

und Berater des Präsidenten. Er ist fast<br />

täglich im Klub und kennt beinahe jeden<br />

in der Regierung. Er weiß, wie diese Stadt<br />

funktioniert.<br />

„Mogadischu“, sagt er, „wird noch immer<br />

von Warlords beherrscht.“<br />

Die neuen Warlords trügen keine Patronengurte,<br />

befehligten keine Kindersoldaten<br />

mit glasigen Augen mehr. Nein, sie seien<br />

Geschäftsleute. Doch ihre Interessen<br />

setzten sie mit den gleichen Mitteln durch,<br />

mit Waffen, Autobomben, Entführungen<br />

und Enthauptungen.<br />

Said lässt seine Brille mit dem dünnen<br />

Goldrand auf die Nasenspitze rutschen<br />

und schaut in den Rauch der Wasserpfeife,<br />

dann spricht er leise, wie fast jeder in Mogadischu,<br />

der etwas zu sagen hat. Aufmerksamkeit<br />

zu erregen kann tödlich sein.<br />

Es würden hier in Somalia nicht Geschäfte<br />

gemacht, um einen Krieg zu finanzieren.<br />

Es werde nicht um Land gekämpft oder<br />

um Ideologien. Es werde Krieg geführt,<br />

weil er die Geschäfte am Laufen halte.<br />

Wieder Schüsse, diesmal auf der Hauptstraße.<br />

Angehörige eines mächtigen Clans<br />

demonstrieren; einer der Ihren wurde zum<br />

Tode verurteilt, weil er den Minister für<br />

Wiederaufbau erschossen hatte. Aus Versehen,<br />

sagen seine Stammesbrüder.<br />

Die Stadt ist nervös.<br />

Al-Schabab, so scheint<br />

es, startet eine<br />

neue Offensive der Angst.<br />

Natürlich gebe es aber auch Hoffnung,<br />

sagt der Abgeordnete. „Die neue Regierung<br />

besteht zum Großteil aus Technokraten,<br />

die aus der Diaspora zurückgekehrt<br />

sind und keine starken Clanverbindungen<br />

haben.“ Das allerdings sei zugleich auch<br />

ein Problem. Denn die Männer, die im<br />

Land geblieben seien, respektierten jene<br />

nicht, die in den USA, in Norwegen, in<br />

England studiert hätten.<br />

Und das sei nicht alles, denn die wahre<br />

Macht liege ohnehin nicht bei der Regierung.<br />

„Die Leute, die die großen Konzerne<br />

für Telekommunikation, Strom und Wasser<br />

kontrollieren, sind die wahren Herrscher<br />

der Stadt“, sagt Said. Und sie alle<br />

hätten enge Verbindungen zu al-Schabab.<br />

Gerade, erzählt er, sei die Regierung mit<br />

einem gewagten Plan vorgeprescht: Jeder,<br />

der an al-Schabab Steuern zahle, solle bestraft<br />

werden. Doch die Geschäftsleute hätten<br />

protestiert, der Plan sei zurückgewiesen<br />

worden. <strong>Der</strong> Abgeordnete lacht, es ist<br />

ein hohes, hüpfendes Lachen. Wie kann,<br />

fragt er, die Regierung mit so etwas drohen?<br />

Jeder, der hier ein Gewerbe betreibe,<br />

zahle Steuern an al-Schabab. Wer nicht<br />

zahle, dem ergehe es wie Moalin.<br />

„Man kann nicht verlangen, die Schutzgeldzahlungen<br />

zu beenden, wenn man als<br />

Regierung nicht für Sicherheit sorgen<br />

kann“, sagt er. Dann wendet er die Kohle<br />

auf der Wasserpfeife, rührt in seinem Espresso<br />

und schaut auf sein riesiges<br />

Smartphone. Absätze klackern auf dem<br />

Fliesenboden, die Stewardessen von Jubba<br />

Airways laufen über den Hof. „Alles in<br />

Mogadischu ist ein Geschäft“, fährt er fort.<br />

Ob auch sein Sitz im Parlament ein Geschäft<br />

war und, wenn ja, wie dieses Geschäft<br />

genau aussieht – dazu will er nichts<br />

sagen, natürlich.<br />

Er redet dafür über ein anderes Geschäft,<br />

vielleicht überhaupt das wichtigste im<br />

Land: die internationale Hilfe. 1,2 Milliarden<br />

Dollar fließen laut Uno jährlich nach<br />

Somalia. Aber fast keine internationale Organisation<br />

arbeitet im Süden des Landes,

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