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20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin

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Transport deutscher Schützenpanzer nach Litauen: Willkommen im großen Papierkrieg der Nato<br />

zung gerüstet sein, für eine „MJO+“, wie<br />

es im Militärjargon heißt. Eine solche „Major<br />

Joint Operation Plus“ wäre der Bündnisfall<br />

nach Artikel 5 des Nato-Vertrags.<br />

Die Allianz müsse in der Lage sein,<br />

„schnell einen oder mehrere bedrohte Verbündete<br />

zu stärken, Abschreckung in Friedens-<br />

und Krisenzeiten zu untermauern<br />

und Verbündete im Falle eines Angriffs zu<br />

unterstützen“, heißt es in dem Bericht.<br />

Und sie müsse befähigt werden, schnell<br />

Truppen zu mobilisieren und zu halten,<br />

unabhängig von „Natur, Bedarf, Ort oder<br />

Dauer der Operation“. Dazu seien eine<br />

„robuste militärische Logistik und Fähigkeiten“<br />

mit Kommunikationslinien notwendig,<br />

die von Nordamerika bis zur östlichen<br />

und südlichen Grenze des Nato-Territoriums<br />

reichten und „innereuropäische<br />

Routen“ einschlössen.<br />

Die Verteidigungsminister der 29 Nato-<br />

Staaten erteilten den Auftrag für eine Reform<br />

der Kommandostrukturen schon im<br />

Februar. In Zukunft müsse das Bündnis in<br />

der Lage sein, mehrere Operationen gleichzeitig<br />

bis zum maximalen „Level of Ambition“<br />

durchzuführen, hieß es damals. Militärs<br />

nutzen diesen Fachbegriff, um ihren<br />

institutionellen Ehrgeiz zu definieren.<br />

Die bisherige Nato-Kommandostruktur<br />

würde ihren Zweck „im günstigsten Fall<br />

nur teilweise erfüllen und, obwohl sie nie<br />

getestet wurde, schnell versagen, sollte sie<br />

mit dem vollen Nato-Level of Ambition<br />

konfrontiert werden“, heißt es in dem Papier.<br />

Dieser „Level of Ambition“ wird als<br />

Kategorie „MJO+“ definiert. Im Klartext:<br />

Die Nato bereitet sich auf einen möglichen<br />

Krieg mit Russland vor.<br />

Dass die Kommandostrukturen des<br />

Bündnisses dafür nicht mehr zeitgemäß<br />

sind, ist den Nato-Militärs seit Langem bewusst.<br />

Am vorvergangenen Freitag legten<br />

sie dem Militärkomitee der Allianz ihre<br />

Vorschläge für eine Aufrüstung der Stäbe<br />

vor. Nun dürfen sich alle Nationen dazu<br />

äußern, Anfang November werden die Verteidigungsminister<br />

den Vorschlägen wohl<br />

zustimmen.<br />

„Wir wissen, dass wir die Allianz und<br />

ihre Kommandostrukturen anpassen und<br />

modernisieren müssen“, sagt die nor -<br />

wegische Verteidigungsministerin Ine Eriksen<br />

Søreide. „Norwegen wird sich dafür<br />

einsetzen, dass die Kommandostruktur<br />

der Nato relevant und robust bleibt.“ Und<br />

ihr dänischer Kollege Claus Hjort Frederiksen<br />

sagt: „Russland hat internationales<br />

Recht gebrochen“, deshalb müsse die Allianz<br />

ihre Strukturen überprüfen. „Die<br />

Nato ist nur deshalb das stärkste Verteidigungsbündnis<br />

der Welt, weil sie sich seit<br />

70 Jahren ständig an neue Herausforderungen<br />

angepasst hat“, sagt Frederiksen.<br />

Auch Litauens Ressortchef Raimundas<br />

Karoblis fordert eine bessere Organisation<br />

zur „Abschreckung und Verstärkung der<br />

Nato“ in Osteuropa. Die neue Struktur solle<br />

das Bündnis in „verwundbaren Regionen<br />

wie dem Baltikum“ unterstützen.<br />

Um die Atrophie, die die Strukturen des<br />

Bündnisses befallen hat, zu belegen, reichen<br />

schon wenige Zahlen. Vor dem Fall<br />

der Berliner Mauer dienten 23000 Soldaten<br />

in den Befehlsständen der Nato, aber<br />

damals waren auch Hunderttausende US-<br />

Soldaten in Europa stationiert. Die Stäbe<br />

hätten im Fall der Fälle in kurzer Zeit Truppen<br />

und Material mobilisieren und nach<br />

Osten schicken können.<br />

Auch der Nachschubweg über den Atlantik<br />

von den USA nach Europa war bestens<br />

organisiert. Von 1952 bis 2003 unterhielt<br />

die Nato ein festes Kommando für<br />

den Transport von Kriegsmaterial nach<br />

Europa. Von Norfolk im US-Bundesstaat<br />

Virginia aus plante ein amerikanischer Admiral<br />

als Supreme Allied Commander jeden<br />

Tag für den Ernstfall, also die große<br />

Konfrontation mit der Sowjetunion und<br />

dem Warschauer Pakt.<br />

Dann fiel die Mauer, und es gab einen<br />

kurzen Frühling in den Beziehungen zu<br />

DER SPIEGEL 43 / 2017<br />

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