20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin
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C.HARDT / SNAPSHOT / FUTURE IMAGE<br />
Braunkohlekraftwerk Niederaußem<br />
Rat vom Schattenmann<br />
Umwelt Kommt die geplante Jamaikakoalition zustande, muss sie Deutschlands Vorreiterrolle<br />
in der Klimapolitik sichern. Ein grüner Staatssekretär weiß, wie das funktionieren kann.<br />
Die Einladung klang nach Routine.<br />
Am Montag rief Rainer Baake eine<br />
Runde von Journalisten zum Gespräch<br />
ins Bundeswirtschaftsministerium.<br />
Wie jedes Jahr wollte der Staatssekretär<br />
für Energie eine Zahl verkünden, die sogenannte<br />
EEG-Umlage. Sie beziffert, wie<br />
viel Aufschlag die deutschen Strom -<br />
kunden für Wind- und Solarkraft zahlen<br />
müssen.<br />
„Die Entwicklung ist überaus erfreulich“,<br />
verkündete der Spitzenbeamte stolz,<br />
die Umlage sei leicht gesunken. Insgesamt,<br />
so Baake, würden die Strompreise damit<br />
„deutlich weniger steigen als die Infla -<br />
tionsrate“. Zudem sei der Anteil erneuerbarer<br />
Energien in den vergangenen vier<br />
Jahren von 25 auf 35 Prozent<br />
gestiegen, und das ohne nennenswerte<br />
Preiserhöhungen.<br />
„Möglich ist das nur durch die<br />
Reformen dieser Bundesregierung<br />
geworden.“<br />
Was Baake mit seinem Fazit<br />
eigentlich sagen wollte: Es sind<br />
seine Reformen gewesen, die<br />
dazu geführt haben, die Kostenexplosion<br />
der Energiewende einzudämmen<br />
– und so hatte der<br />
Staatssekretär zum Abschluss<br />
Experte Baake<br />
Bestens vernetzt<br />
AXEL SCHMIDT / DDP IMAGES<br />
des Gesprächs noch einen Ratschlag parat:<br />
„Die neue Bundesregierung muss genauso<br />
reformfreudig bleiben, wie es diese Re -<br />
gierung ist.“<br />
Da war er also, der Satz, mit dem sich<br />
Baake als Staatssekretär für die nächste<br />
Amtszeit beworben hatte, geschickt verpackt,<br />
aber unmissverständlich. Wenn es<br />
nach ihm ginge, gäbe es keinen besseren<br />
Kandidaten als ihn selbst, den Umbau des<br />
Energiesektors fortzuführen. Wer den grünen<br />
Spitzenbeamten in diesen Tagen trifft,<br />
spürt hinter der nüchternen Fassade des<br />
drahtigen Mannes, wie sehr er unter Anspannung<br />
steht.<br />
Während die Sondierungsgespräche zwischen<br />
Union, Grünen und FDP Fahrt aufnehmen,<br />
setzt Baake auf sein<br />
jahrzehntelanges Fachwissen.<br />
<strong>Der</strong> gelernte Volkswirt hat seit<br />
Jahren die deutsche Energiepolitik<br />
aus der zweiten Reihe gelenkt<br />
und wurde zum Schrecken<br />
der Energiekonzerne.<br />
Nun hat ihm der Wahlausgang<br />
eine neue Machtoption geschaffen.<br />
Die Grünen wollen ein<br />
Jamaikabündnis in etwa so sehr,<br />
wie Angela Merkel Bundeskanzlerin<br />
bleiben will. Genau<br />
das ist Baakes große Chance, weitere vier<br />
Jahre an den Hebeln der Macht zu ziehen,<br />
geräuschlos, aber hocheffizient.<br />
Was Baake in die Hände spielt: Kaum<br />
ein Thema wird die Legislaturperiode so<br />
bestimmen wie die Klimapolitik. Es geht<br />
nicht mehr allein um Wind- und Sonnenenergie<br />
oder die Frage, wie die Stromnetze<br />
ausgebaut werden sollen. Die Politik muss<br />
entscheiden, wie sich die Deutschen künftig<br />
fortbewegen und wie sie ihre Wohnungen<br />
heizen. Es sind harte Eingriffe erforderlich.<br />
Denn das Land muss rausgeführt<br />
werden aus dem fossilen Zeitalter.<br />
Dekarbonisierung heißt dafür der Fachbegriff,<br />
und der klingt nicht zufällig nach<br />
Epochenwende. Die Zeit großer Klimaziele,<br />
die erst in ferner Zukunft erfüllt werden<br />
müssen, ist vorbei. „Es gibt keine Ausflüchte<br />
mehr“, sagt Baake, „wenn Deutschland<br />
sich vor der Weltgemeinschaft nicht blamieren<br />
will.“<br />
Schon Ende 2020 muss die vermutlich<br />
schwarz-gelb-grüne Koalition beweisen, ob<br />
sie das Ziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasausstoß<br />
im Vergleich zum Jahr<br />
1990 einhalten kann. Nach allem, was die<br />
Experten vorhersagen, werde das nicht der<br />
Fall sein, warnt Baake. Er weiß, dass dieser<br />
Moment, insbesondere für einen künftigen<br />
38 DER SPIEGEL 43 / 2017