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20171020-Der_Spiegel_Nachrichtenmagazin

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Den Vorstandschef<br />

plagt kein schlechtes<br />

Gewissen dabei, die<br />

Sozialkassen anzuzapfen.<br />

Bei welchen Sparkassen Bertschat und<br />

Hundertmark tätig sind, lässt sich nur<br />

schwer herausfinden. „Die Berater erhalten<br />

praktisch bei jedem Sparkassenvorstand<br />

sofort einen Termin, wenn sie ihr<br />

Konzept vorstellen wollen“, heißt es in der<br />

Branche.<br />

Das Unternehmen selbst will keine<br />

Auskunft geben: Es sei zur „Verschwiegenheit<br />

gegenüber Dritten verpflichtet“. Für<br />

die Anwendung des „Vorruhestand-Flex“-<br />

Modells seien die Sparkassen und ihre<br />

Arbeit nehmer allein verantwortlich.<br />

Auch die Geldhäuser geben sich zu -<br />

geknöpft. Dabei hat der bayerische Sparkassenverband<br />

sogar eine Rahmenvereinbarung<br />

mit Bertschat und Hundertmark<br />

unterzeichnet. Für den niedersächsischen<br />

Verband organisierten die Berater im Frühjahr<br />

zwei Workshops, und auch in Nordrhein-Westfalen<br />

sind sie gefragt.<br />

In einer Postille des Deutschen Sparkassen-<br />

und Giroverbands machte Firmenchef<br />

Bernhard Bertschat im Sommer ungeniert<br />

für den Griff in die Sozialkassen Werbung.<br />

Unter der Überschrift „Was Vorruhestandsmodelle<br />

unschlagbar macht“ beschreibt er<br />

den Kniff mit der Arbeitsagentur. „Ein bestehender<br />

ALG-I-Anspruch wird fiktiv angerechnet“,<br />

frohlockt er.<br />

Stolz berichtet Bertschat auch, dass „immer<br />

mehr Sparkassen“ sein Vorruhestandsmodell<br />

favorisierten. So habe Anfang des<br />

Jahres die Sparkasse Vorpommern das Projekt<br />

„zur Zufriedenheit von Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmern“ umgesetzt.<br />

Und tatsächlich: Nach der Fusion der<br />

Sparkassen Vorpommern und Rügen, bestätigt<br />

eine Sprecherin, habe man mit Bertschat<br />

und Hundertmark ein Abbauprogramm<br />

entwickelt. 76 Mitarbeitern über<br />

57 Jahre sei das Modell „Vorruhestand-<br />

Flex“ angeboten worden. Die Annahmequote<br />

lag bei 96 Prozent. Ob alle ausscheidenden<br />

Kollegen nun zum Arbeitsamt gehen,<br />

um die Abfindung mit Arbeitslosengeld<br />

aufzustocken, wisse sie nicht, sagt sie: „Ich<br />

glaube aber nicht, dass das ein Problem ist.“<br />

Dass sich das Abfindungsmodell nur<br />

mit der zusätzlichen Stütze rechnet, zeigen<br />

die Unterlagen der Sparkasse Hildesheim<br />

Goslar Peine. Nach einer Beispielrechnung<br />

sollen einem 59-jährigen Sparkassenmit -<br />

arbeiter 95 Prozent seines bis herigen<br />

Netto gehalts bis zum Renteneintritt mit 63<br />

garantiert werden. Selbst die Sozialversicherungsbeiträge<br />

und die fälligen Steuern<br />

auf den Abfindungsbetrag werden über-<br />

nommen. Das Geld erhält der „Vorruheständler“<br />

mit dem Ausscheiden auf einen<br />

Schlag. Das hört sich attraktiv an.<br />

Mithilfe eines Computerprogramms berechnet<br />

das Unternehmen allerdings auch<br />

den Arbeitslosengeldanspruch bis auf den<br />

Cent genau. Diese Summe kann mehrere<br />

Zehntausend Euro betragen und wird von<br />

der Abfindung abgezogen. Zudem geht<br />

die Berechnung davon aus, dass der Ex-<br />

Mitarbeiter während des Arbeitslosengeldbezugs<br />

über die Behörde krankenversichert<br />

ist.<br />

Als besonderen Service bietet die Unternehmensberatung<br />

die Betreuung der<br />

ausscheidenden Mitarbeiter bis zur Rente<br />

und eine Haftung für die Beratungsergebnisse<br />

an. Es gibt Gerüchte, Bertschat und<br />

Hundertmark würden den Betroffenen raten,<br />

Kaffeeflecken auf ihre Bewerbungsunterlagen<br />

zu machen, damit sie nicht unbeabsichtigt<br />

in einen neuen Job vermittelt<br />

werden. Das Unternehmen bestreitet, dass<br />

es eine spezielle Beratung der Mitarbeiter<br />

für den Umgang mit der Arbeitsagentur<br />

gebe. Es würden lediglich „die gesetzlichen<br />

Regelungen“ erläutert.<br />

Sparkassenchef Twardzik jedenfalls<br />

plagt kein schlechtes Gewissen, die So -<br />

zialkassen anzuzapfen: „Das machen andere<br />

Unternehmen auch“, sagt er, „und<br />

wir stehen im Wettbewerb.“ Die Mitarbeiter<br />

hätten zudem jahrelang in die Arbeitslosenversicherung<br />

eingezahlt. „Da ist es<br />

in Ordnung, wenn sie nach dem Ausscheiden<br />

ihre Ansprüche geltend machen.“ Für<br />

die Sparkasse gehe es darum, ein attraktives<br />

Abfindungs angebot zu machen, das<br />

sich wirtschaftlich rechne.<br />

Kontrolliert werden die Sparkassenvorstände<br />

von Verwaltungsräten, in denen vor<br />

allem Kommunalpolitiker sitzen. Diese<br />

könnten am meisten von der dubiosen Finanzierung<br />

des Personalabbaus profitieren:<br />

Ausschüttungen der Sparkassen fließen in<br />

die Haushalte ihrer Städte und Landkreise.<br />

Kein Wunder, dass es dort ebenfalls<br />

wenig Unrechtsbewusstsein gibt. An der<br />

Spitze des Verwaltungsrats der neuen Spar -<br />

kasse steht Ingo Meyer, Oberbürgermeister<br />

von Hildesheim. „Kein Mitarbeiter wird<br />

gezwungen, einen Vorruhestandsvertrag<br />

zu unterschreiben. Keiner wird gezwungen,<br />

sich arbeitslos zu melden“, sagt er,<br />

obwohl das Modell gerade darauf basiert.<br />

Die Politiker hätten die Fusion schließlich<br />

nicht beschlossen, weil die Sparkassen<br />

„auf Rosen gebettet“ seien. Dass die Stadt<br />

vom Umbau des Geldhauses profitiert, bestreitet<br />

das Stadtoberhaupt nicht. Mit mehr<br />

als 1,6 Millionen Euro haben die drei<br />

Sparkassen im vergangenen Jahr Vereine<br />

und soziale Initiativen in der Region unterstützt.<br />

„Das muss so bleiben“, findet<br />

Meyer, „in dem Bereich ist unsere Sparkasse<br />

der größte Player in der Stadt.“<br />

Michael Fröhlingsdorf<br />

DER SPIEGEL 43 / 2017<br />

49<br />

Haben Sie damals<br />

mehr erhalten<br />

als nur eine<br />

Notfallbehandlung?<br />

Vor 1992 wurden Blut- bzw.<br />

Blutprodukte nicht routinemäßig<br />

auf Hepatitis-C-Viren untersucht.<br />

Ein Risiko, sich möglicherweise mit<br />

dem Hepatitis-C-Virus infiziert zu<br />

haben, ohne es zu wissen. 1<br />

Hepatitis C ist heilbar. 2<br />

Wenden Sie sich an Ihren<br />

Arzt und besuchen Sie<br />

www.bist-du-chris.de<br />

HCV/DE/17-05/PM/1850<br />

Eine Kooperation von:<br />

Deutsche Leberstiftung<br />

Deutsche Leberhilfe e.V.<br />

Gilead Sciences GmbH<br />

1<br />

WHO. Media Centre Hepatitis C Fact sheet No164. http://www.<br />

who.int/mediacentre/factsheets/fs164/en/ [letzter Zugriff Juni 2017]<br />

2<br />

Marinho RT et al. World J Gastroenterol 2013; 19: 6703-6709

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