15.04.2018 Aufrufe

GRO GRATISROMAN_Taschenbuch_MUSTER

  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die einzige Konsequenz bestand darin, dass Nina den Arzt wechselte.<br />

„Ohne Groll“, wie sie oft betonte.<br />

Auch mir wies sie keine Schuld zu. Das versicherte sie mir mehrmals<br />

in ruhigem und absolut glaubwürdigem Ton.<br />

Die Vorwürfe, die ich mir selbst machte, ließen mich monatelang<br />

kaum schlafen. Ich trank mehr Alkohol als jemals in meinem Leben.<br />

Aber auch das half nicht gegen den Schmerz, der war, als hätte ich<br />

eine Säure geschluckt, die mich von innen her langsam zerfraß.<br />

Das einzige, was ich in dieser Zeit schaffte, war schreiben. Immer wieder<br />

bekam ich es dabei für ein paar Minuten hin, an etwas anderes zu<br />

denken als an den kleinen blauen Leichnam, den wir verbrannt und<br />

dessen Asche wir dem Meer vor einer fernen Insel anvertraut hatten.<br />

Nina hatte nichts Vergleichbares. Sie arbeitete nicht. Sie zog sich, innerlich<br />

wie äußerlich, vor mir und der Welt zurück. Sie schrie nicht,<br />

sie weinte nie mehr. Sie sprach nur sehr wenig. Sie lebte ganz und gar<br />

für sich. Kontakte zu Freundinnen brach sie fast vollständig ab.<br />

Ich bat sie, zum Arzt zu gehen, sich helfen zu lassen. Ich glaubte, dass<br />

sie vielleicht unter Depressionen litt. Aber jede Hilfe von außen lehnte<br />

sie strikt ab. Dass sie auch meine Hilfe nicht wollte, verletzte mich.<br />

Auch ich konnte sie nicht befreien aus dem dunklen Käfig, in dem sie<br />

damals lebte.<br />

Wenn überhaupt, redete sie mit mir über Belanglosigkeiten. Niemals<br />

über Joshua, niemals über unseren Flug auf die Insel. Nie mehr darüber,<br />

ob es ein Fehler gewesen war, dorthin zu fliegen. Jeden meiner<br />

Versuche in diese Richtung würgte sie schroff ab und verurteilte dadurch<br />

uns beide zu bedingungsloser Einsamkeit.<br />

Weit und breit gab es für uns kein Entkommen.<br />

Der Gedanke an eine neue Schwangerschaft war weiter weg als die<br />

Insel, auf der unser Kind gestorben war. In manchen Augenblicken,<br />

in denen mein Kopf klar genug war –¬ unabhängig davon, ob ich getrunken<br />

hatte oder nicht ¬–, begriff ich, dass es nur eine Rettung geben<br />

konnte für uns beide. Von da an hoffte und wartete ich auf den<br />

Moment, in dem einer von uns genug Kraft gesammelt hatte, um sich<br />

38

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!