Klassengespräch im Mathematikunterricht - KOBRA - Universität ...
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5.1 Gesprächsanteile<br />
Der Redeanteil von Lehrern und Schülern <strong>im</strong> Unterricht stellt eine vielfach untersuchte Disziplin<br />
der Unterrichtsforschung dar. Gage und Berliner (1996) bezeichnen die Lehrersprechzeit<br />
als den „Zeitanteil (von einer Unterrichtsstunde oder einem Unterrichtsteil), den der Lehrer<br />
sich zum Sprechen n<strong>im</strong>mt“ (S. 547-548). Die Mehrzahl von Untersuchungen zeigt, dass<br />
der Redeanteil der Lehrer deutlich größer ausfällt als jener der Schüler. Tabelle 3 gibt einen<br />
Überblick über die Forschungsergebnisse bezüglich des Redeanteils von Lehrern und Schülern:<br />
Tabelle 3: Forschungsergebnisse zu den Redeanteilen <strong>im</strong> Unterricht<br />
Studie Redeanteil (Lehrperson : Schüler)<br />
Tausch & Tausch (1970)<br />
Flanders (1970) 4<br />
80% : 20%<br />
68% : 20% (Rest: Schweigen)<br />
Bellack, Kliebart, Hyman & Smith (1974) 72% : 28%<br />
Sumfleth & Pitton (1998)<br />
77% : 23%<br />
Seidel (2003a)<br />
74% : 26%<br />
Bereits Anfang der 1970er Jahre konnte ein Missverhältnis zwischen dem Redeanteil von<br />
Lehrern und dem der Schüler festgestellt werden. Tausch und Tausch (1970) zeigen in einer<br />
Untersuchung, dass die Redezeit der Lehrperson 80% der Unterrichtszeit ausmacht und<br />
demzufolge die der Schüler lediglich 20% der Unterrichtszeit. Bei einer durchschnittlichen<br />
Klassenstärke von 25 Schülern fallen somit nur etwa ein Prozent der Redezeit auf jeden einzelnen<br />
Schüler. Auch Flanders (1970) bestätigt auf der Grundlage der Auswertung verschiedener<br />
Studien einen Redeanteil der Schülerschaft von 20%. Allerdings beträgt der von Flanders<br />
(1970) ermittelte Redeanteil der Lehrperson lediglich 68%. Die übrigen 12% werden<br />
unter der Restkategorie „Schweigen“ zusammengefasst, das heißt, in dieser Zeit erfolgen<br />
keine Redebeiträge (vgl. Richert, 2005). Bellack, Kliebart, Hyman und Smith (1974) konnten<br />
einen ähnlich hohen Redeanteil der Lehrperson feststellen. So ergab hier die Untersuchung<br />
von 15 Klassen einen Mittelwert von 72%. Auf die Schüler fallen demnach 28% der Redezeit.<br />
Dies entspricht einem Lehrer-Schüler-Verhältnis von 3:1.<br />
Nun könnte man annehmen, das Bild habe sich seit 1974 gewandelt. Neuere Untersuchungen<br />
zeigen jedoch, dass die hohen Redeanteile von Lehrern <strong>im</strong> Unterricht auch heute noch<br />
aktuell sind. So konnten die Untersuchungen von Sumfleth und Pitton (1998) sowie Seidel<br />
(2003a) zeigen, dass Lehrer <strong>im</strong>mer noch einen Redeanteil von mehr als 70% haben. Die<br />
Dominanz der Lehrersprache <strong>im</strong> Unterricht ist somit seit Jahrzehnten ein konstantes Phänomen.<br />
Die in Tabelle 3 aufgeführten Untersuchungen zu den Redeanteilen <strong>im</strong> Unterricht beziehen<br />
sich auf die Sekundarstufe 1. Studien in der Pr<strong>im</strong>arstufe, die sich mit diesem Aspekt der Lehrer-Schüler-Interaktion<br />
auseinandersetzen, sind bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Somit<br />
4 nach Richert, 2005.<br />
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