Klassengespräch im Mathematikunterricht - KOBRA - Universität ...
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1 Einleitung<br />
Die Qualität von Unterricht stellt schon seit vielen Jahrzehnten ein zentrales Untersuchungsmerkmal<br />
der Bildungsforschung dar. Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse der internationalen<br />
Vergleichsstudien TIMSS 1 und PISA 2 , die den deutschen Schülern 3 nur mittelmäßige<br />
Leistungen bescheinigten, nahm das Interesse an der Unterrichtsqualität jedoch<br />
stark zu und rückte in den Mittelpunkt gesellschaftlicher und bildungspolitischer Diskussionen.<br />
Obwohl vor allem personenbezogene Variablen, wie beispielsweise die Intelligenz oder<br />
die Lernmotivation, einen großen Einfluss auf schulische Leistungen haben, wurde in diesem<br />
Zusammenhang vorwiegend der Unterricht debattiert, denn <strong>im</strong> Gegensatz zu personenbezogenen<br />
Variablen handelt es sich be<strong>im</strong> Unterricht um eine beeinflussbare Variable von schulischem<br />
Erfolg. Den Kern der bildungspolitischen Debatten bildeten und bilden noch heute die<br />
Fragen Was macht lernwirksamen Unterricht aus? und Wie lässt sich Unterricht verbessern?<br />
(vgl. Helmke, 2009).<br />
Hierbei rückte, neben empirisch belegten Qualitätsmerkmalen, auch das Unterrichtsgespräch<br />
in den Blickpunkt. Schließlich vollzieht sich der Prozess des Lehrens und Lernens <strong>im</strong> Unterricht<br />
größtenteils in Form von sozialen Interaktionen zwischen Lehrern und Schülern. Neben<br />
Interaktionen nichtverbaler und schriftlicher Art, ist es vor allem die verbale Interaktion, mit<br />
deren Hilfe die Vermittlung von Unterrichtsinhalten erfolgt (vgl. Piontkowski, 1982). In der<br />
Forschungsliteratur wird hierfür häufig der Begriff Lehrer-Schüler-Interaktion verwendet. Dieser<br />
bezeichnet allgemein „das wechselseitige Aufeinanderwirken <strong>im</strong> Wahrnehmen, Beurteilen,<br />
Kommunizieren und Beeinflussen von Lehrern und Schülern in der Schule“ (Hofer, 1997,<br />
S. 213). Die Interaktion des Lehrers mit der ganzen Klasse, auch <strong>Klassengespräch</strong> genannt,<br />
n<strong>im</strong>mt dabei den größten Teil der Unterrichtszeit ein.<br />
Gerade dieses vom Lehrer gesteuerte <strong>Klassengespräch</strong> wurde mit der Veröffentlichung der<br />
Ergebnisse der internationalen Schulleistungstests TIMSS und PISA Gegenstand von Kontroversen<br />
und Kritik. So wird in Deutschland die Dominanz des vom Lehrer gelenkten Unterrichtsgesprächs<br />
<strong>im</strong> <strong>Mathematikunterricht</strong> sogar als mögliche Ursache des mittelmäßigen<br />
Abschneidens deutscher Schüler <strong>im</strong> internationalen Vergleich der Mathematikleistungen diskutiert.<br />
Die Kritik bezieht sich insbesondere auf den fragend-entwickelnden Unterricht, eine<br />
durch Fragen und Impulse der Lehrperson gesteuerte Form des <strong>Klassengespräch</strong>s, mithilfe<br />
dessen die Klasse gemeinsam ein Problem löst oder einen Begriff erarbeitet. Dieses gängelnde<br />
und eng geführte Lehrgespräch gelte es durch problemorientierte, entdeckenlassende<br />
Lernformen zu ersetzen (vgl. Pauli, 2006).<br />
Trotz dieser Kritik steht in der aktuellen Lehr-Lernforschung die zentrale Bedeutung des Unterrichtsgesprächs<br />
für das fachliche und überfachliche Lernen außer Frage. So beschäftigen<br />
sich zahlreiche Untersuchungen mit der Struktur und Gestalt der verbalen Interaktion <strong>im</strong><br />
Klassenz<strong>im</strong>mer (vgl. Rosenshine, 1971; Mehan, 1979; Gage & Berliner, 1996; Seidel, 2003a;<br />
Niegemann, 2004; Richert, 2005). Nur wenige Studien untersuchen jedoch die Schülerbetei-<br />
1<br />
TIMSS: Third International Mathematics and Science Study.<br />
2<br />
PISA: Programme for International Student Assessment.<br />
3<br />
Im Folgenden wird aus Gründen der Lesbarkeit auf die weibliche Form verzichtet. Die maskuline Form steht<br />
selbstverständlich für beide Geschlechter.<br />
8