Klassengespräch im Mathematikunterricht - KOBRA - Universität ...
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Abbildung 2 zeigt, dass zwei Gruppen von Variablen Auswirkungen auf den Lehr-Lern-<br />
Prozess haben. Diese sind auf der einen Seite die Rahmenbedingungen (Frame factors) und<br />
auf der anderen Seite Variablen des Lehr-Lern-Prozesses (Teaching process variables). Zu<br />
den Rahmenfaktoren zählen die Lernziele (Objectives), die vom Lehrplan vorgegebenen<br />
Lerneinheiten (Sequences and amount of content units) sowie die von den Schülern benötigte<br />
Zeit (T<strong>im</strong>e needed for students in the class). Variablen des Lehr-Lern-Prozesses sind der<br />
Inhalt (Content), die Unterrichtshandlung (Activity) und die Unterrichtsbeteiligung (Individual<br />
involved). Reicht die für den Lehr-Lern-Prozess verfügbare Zeit (Total t<strong>im</strong>e) nicht aus, übern<strong>im</strong>mt<br />
die Steuerungsgruppe (Steering group) eine wichtige Funktion <strong>im</strong> Unterricht.<br />
Lundgren (1972) formuliert die Bedeutung der Steuerungsgruppe <strong>im</strong> Fall der Zeitknappheit<br />
folgendermaßen: “In this way, the steering group becomes the functional expression for the<br />
interrelations between these three [frame] factors within the t<strong>im</strong>e frame, and will in its turn<br />
play a role in determine the forming on the teaching process” (S. 42). So legt die Bezugsgruppe<br />
nicht nur das Tempo des Lehr-Lern-Prozesses fest, sondern ist auch für die Entscheidung<br />
des Lehrers verantwortlich, wie viele Informationen den Schülern gegeben werden.<br />
Die Auswahl der leistungsschwächeren Schüler als Bezugsgruppe <strong>im</strong> Unterricht bedeutet<br />
einen höheren Zeitaufwand für den Lehr-Lern-Prozess. Allerdings kann somit gewährleistet<br />
werden, dass die Mehrheit der Schüler eine Lerneinheit verstanden hat, bevor eine neue<br />
Einheit begonnen wird.<br />
6.2 Häufiges Aufrufen von leistungsstärkeren Schülern bei Brophy und<br />
Good (1976)<br />
Entgegen den Ergebnissen von Dahllöf (1967) und Lundgren (1972), die eine Orientierung<br />
am unteren Leistungsniveau belegen konnten, weisen Brophy und Good (1976) nach, dass<br />
Lehrer verstärkt leistungsstärkere Schüler aufrufen. Hierbei greifen Brophy und Good (1976)<br />
auf entsprechende Ergebnisse aus der amerikanischen Forschung zurück. Demnach konnte<br />
eine Vielzahl von Schülermerkmalen gefunden werden, welche die Schülerwahrnehmung<br />
durch Lehrpersonen und schließlich auch Interaktionsmuster <strong>im</strong> Klassenunterricht beeinflussen.<br />
Diese Merkmale betreffen neben der Zugehörigkeit von Schülern zu verschiedenen<br />
identifizierbaren Gruppen wie soziale Schicht und Geschlecht eben auch Schülerleistungen.<br />
Nach Brophy und Good (1976) gibt es eine Fülle empirischer Hinweise dafür, dass Lehrpersonen<br />
überproportional häufig mit den leistungsstärkeren Schülern <strong>im</strong> öffentlichen Unterricht<br />
agieren.<br />
Einen wichtigen Beitrag hierzu liefert Good (1970), der feststellen konnte, dass das Aufrufen<br />
von Schülern keinesfalls zufällig passiert. Demnach hängt die Art der Interaktion zwischen<br />
Lehrern und Schülern sehr stark von deren Leistungen ab. Diesen Sachverhalt bestätigt eine<br />
in vier amerikanischen Grundschulklassen durchgeführte Studie. In der besagten Studie wurden<br />
jeweils zwölf Schüler aus jeder Klasse dahingehend beobachtet, wie oft sie von der<br />
Lehrperson aufgerufen wurden. Die Auswahl dieser Schüler geschah keinesfalls zufällig,<br />
sondern auf Basis der Leistungseinschätzungen der Lehrer. Das bedeutet, dass in jeder<br />
Klasse jeweils vier Schüler mit überdurchschnittlichen Leistungen, vier Schüler mit durchschnittlichen<br />
Leistungen und vier Schüler mit unterdurchschnittlichen Leistungen beobachtet<br />
wurden. Tabelle 5 listet die in den Klassen beobachteten durchschnittlichen Sprechgelegenheiten<br />
der einzelnen Leistungsgruppen auf:<br />
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