1. Der Transformationsprozess in der Tschechischen Republik

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46 5.2 Voraussetzungen in der Tschechischen Republik Die Tschechische Republik ist ein entwickelter Industriestaat mit hohem technischen und wissenschaftlichen Niveau. Die Tschechoslowakei gehörte bereits vor dem 2. Weltkrieg zu den am meist entwickelten Industrienationen der Welt. Vor allem Böhmen und Mähren gehörten später zu den hochindustrialisierten Regionen des ehemaligen RGW. Die Wirtschaft, die fast vier Jahrzehnte lang zentral geplant und gelenkt wurde, wurde seit der Wende im November 1989 auf marktwirtschaftliche Grundlagen gestellt. Vor 1989 wurde in Tschechien großer Wert auf soziale Rechte gelegt, wobei die politischen Bekenntnisse vor allem deklarativen Charakter hatten. Trotzdem stimmte das System des kollektiven Schutzes durchaus mit den Wünschen und Interessen der Bevölkerung überein. Die Menschen begrüßten besonders das Recht auf Arbeit, auf kostenlose Gesundheitsfürsorge und Bildung für jeden. Die politische Freiheit der Bevölkerung wurde dagegen stark eingeschränkt. Die Verstaatlichung der Großbetriebe begann in der ČSFR schon vor der Machtergreifung der kommunistischen Partei (1945). 36 Vor der politischen Wende 1989 befanden sich in der ČSFR 96,7% aller Produktionsmittel in staatlicher Hand. Die ČSFR hatte den kleinsten privaten Sektor aller mittel- und osteuropäischen Länder. Erst 1987 begann auf Druck der UdSSR eine „Reprivatisierung“. Sie sollte zur Legalisierung der Schattenwirtschaft, die auf 30% des Volkseinkommens geschätzt wurde, führen. Betriebe mit bis zu fünf Angestellten wurden genehmigungspflichtig. 37 Mit der „samtenen“ Revolution im Jahre 1989 begann für die ehemalige ČSFR die historische Aufgabe einer Neugestaltung der politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturen. Ähnlich wie in anderen Staaten Mittel- und Osteuropas war auch das System der sozialen Sicherheit im Land betroffen. Eine Struktur kollektiven Schutzes, in welcher der Staat die Vollbeschäftigung garantierte sowie Grundnahrungsmittel und Mieten subventionierte, wandelte sich. Fortan musste jedes Individuum selbst die Verantwortung für sein Leben übernehmen. Nach der Wende im Jahr 1989 war die Arbeitslosigkeit zu Beginn extrem niedrig, aber das Angebot an Arbeitsplätzen wurde in den folgenden Jahren weniger. Deshalb wurde gleichzeitig mit der Wirtschaftsreform eine Sozialreform unumgänglich. 36 MITSCHRIFT AUS VORLESUNG: EINFÜHRUNG IN DAS RECHT OSTEUROPÄISCHER STAATEN (2000)
47 Die erstmals seit 40 Jahren frei gewählte demokratische Regierung steckte sich unter dem Wirtschaftsminister Vaclav Klaus das Primärziel, einen schnellen Übergang von der gescheiterten zentralistischen Planwirtschaft zu einer florierenden Marktwirtschaft zu erreichen. Dafür wurde seit 1989 eine Vielzahl von Maßnahmen getroffen, von denen die Privatisierung einen der wichtigsten Schritte im gesamten Transformationsprozess darstellt. Um ein marktgerechtes und ökonomisches Verhalten der tschechischen Bürger herbeizuführen, musste somit das Staatseigentum abgeschafft und an private Eigentümer übertragen werden. Verglichen mit den anderen mittel- und osteuropäischen Staaten konnte die ČSFR auf günstige Voraussetzungen blicken: 38 • sie wies eine lange Industrietradition und ein vergleichsweise hohes Bruttosozialprodukt pro Kopf auf • die Auslandverschuldung war Ende 1990 (6 Mrd. US-Dollar) relativ gering • weitere Vorteile waren ein fast ausgeglichener Staatshaushalt, und nur geringe Ungleichgewichte auf den Gütermärkten • aufgrund der bis 1989 sehr rigiden planwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung hatte die ČSFR ein, zwar nicht so leistungsfähiges, aber dafür ein in sich geschlossenes und funktionierendes Wirtschaftssystem. 1990 kam es zum politischen Neubeginn. Der ökonomische Transformationsprozess setzte im Januar 1991 mit einem radikalen Reformkonzept ein. Folgende Maßnahmen waren Inhalt der Reform: • im Jahr 1990 erfolgte die Einführung eines zweistufigen Bankensystems • 1990 wurde die Tschechische Krone auf 28 Kronen für 1 US-Dollar abgewertet • am 1. Januar 1991 wurden 95% der Preise freigegeben • der Außenhandel wurde liberalisiert und das Joint-Venture-Gesetz erlaubte ausländische Kapitalmehrheit und Gewinntransfer • eine Reihe von Gesetzeswerken wurde verabschiedet und damit die Gesetzgebung mit den Erfordernissen einer Marktwirtschaft in Einklang gebracht; unter anderem wurde ein Wirtschaftsgesetzbuch, ein 37 COINTREAU, Edouard (1987) Privatisierung, S.30ff 38 MITSCHRIFT AUS VORLESUNG: EINFÜHRUNG IN DAS RECHT OSTEUROPÄISCHER STAATEN (2000)
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