Special Issue IOSOT 2013 - Books and Journals
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W. Zimmerli / Vetus Testamentum <strong>IOSOT</strong> (<strong>2013</strong>) 77-86 85<br />
Akzentuierung erfahren und noch <strong>and</strong>eren scharf gegenteilige Feststellungen<br />
entgegengesetzt werden.31 Der durchgehend erkennbare Gegenspieler<br />
und das Gesprächsgegenüber bleibt der „Weise“, wie er in manchen Aussagen<br />
des Sprüchebuches zu finden ist. Am deutlichsten ist dieses Gegenüber<br />
Kohelets in viii 17 angesprochen: „Da sah ich, daß der Mensch vor alledem,<br />
was Gott tut, das Geschehen, das unter der Sonne geschieht, nicht herausfinden<br />
kann. Wie immer der Mensch auch voll Mühe danach sucht, er findet es<br />
nicht. Und auch wenn der Weise behauptet es zu erkennen, er kann es nicht<br />
herausfinden“. Der Weise der behauptet, es herausfinden zu können, ist der<br />
Gesprächsgegner Kohelets.<br />
Wer im Buche Kohelet einen thematisch orientierten Traktat sucht, wird<br />
an vielen Stellen mit dieser Sicht nicht durchkommen. Das Arbeiten mit der<br />
Schere, mit der in einer früheren Phase der Koheletforschung Nichtpassendes<br />
einfach literarisch herausgetrennt und zweiten oder dritten Bearbeiterhänden<br />
zugeschrieben wurde, ist zum Glück dabei in der neueren Koheletforschung<br />
weitgehend zurückgetreten.<br />
Die Themafrage: Kohelet—Traktat oder Sentenzensammlung? wird sonach<br />
nicht mit einer glatten Entscheidung für die eine oder die <strong>and</strong>ere Seite entschieden<br />
werden können. Das Buch Kohelet ist kein Traktat mit klar erkennbarem<br />
Aufriss und einem einzigen, bestimmbaren Thema. Es ist aber zugleich<br />
mehr als eine lose Sentenzensammlung, obwohl der Sammlungscharakter<br />
an einzelnen Stellen nicht zu übersehen ist. Daneben finden sich aber auch<br />
wieder breitere, gedanklich kohärente Erörterungsgänge, die den Weg über<br />
verschiedene Topoi der Weisheit nehmen. Daß die Gesamtsammlung des<br />
Korpus i 3-xii 7 aus des Kohelet eigener H<strong>and</strong> stammt, ist nicht mit Sicherheit<br />
zu bejahen, aber wohl auch nicht zwingend auszuschliessen. Dagegen könnte<br />
die Rahmung möglicherweise durch den Herausgeber vorgenommen worden<br />
sein, der auch die Überschrift und den Epilog xii 9-1132 zugesetzt und Kohelet<br />
als einen Lehrer der Leute vorgestellt hat.<br />
Für den Exegeten des Koheletbuches folgert daraus, daß er seine Arbeit<br />
mehrstufiger tun muß als der Exeget des Sprüchebuches. Er hat zunächst die<br />
formgeschichtlich primären Einheiten herauszuarbeiten. Er hat dann, wie es<br />
auch der Exeget von Prov. xxiv 30-34, aber auch schon von xxii 17 ff. tun muß,<br />
nach der möglichen Kombinationsform von zwei oder mehr formgeschicht-<br />
31) Für alles Einzelne muss hier auf meine Auslegung Kohelets in ATD 16, 2. Aufl. 1967 verwiesen<br />
werden.<br />
32) Xii 12-14 stammen aus der H<strong>and</strong> eines zweiten Epilogisten.