Jaarboek Thomas Instituut 2006 - Thomas Instituut te Utrecht
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RELIGIO ALS ZUWENDUNG 77<br />
Überflusses mit einschlägigen moralischen Vorschrif<strong>te</strong>n." Das<br />
supraethische der Gabe eröffnet eine mögliche Welt, zwischen<br />
einerseits einem Gesetz, das gegeben ist urn kein Skiave mehr zu<br />
sein and andererseits gnädiger Vergebung. Das sich Gott widmen,<br />
insbesondere durch das nutzlose Be<strong>te</strong>n, ist eine Antwort auf die<br />
Gabe der Gü<strong>te</strong> Got<strong>te</strong>s. Wir kennen aber, wie <strong>Thomas</strong> sagt, Got<strong>te</strong>s<br />
Vortrefflichkeit nicht, haben davon nur eine Vermutung. Wir sind<br />
nicht im Stande, eine Logik des Überflusses zu konstruieren, jedoch<br />
zu antwor<strong>te</strong>n auf das, was der Moral vorangeht. Statt einer Frage des<br />
Menschen und seiner eigenen Antwort gibt es eine Vermutung<br />
dessen, was ethische Logiken durchbricht. Darauf kann man<br />
antwor<strong>te</strong>n, wenn man sich geme Gott widmet. Religio in der<br />
Spätmodeme un<strong>te</strong>rwerft sich keinen Funktionsfördemissen der<br />
Moraloder der Zusammengehörigkeit, die vom Sozialkontrakt<br />
gefördert wird und ist in dem Sinne religio aus Freiheit. Religio wie<br />
sie <strong>Thomas</strong> denkt, ist eine Praxis der Entdopplung, die - so<br />
widersprüchlich es auch sein mag - sich Gott widmet, wobei man<br />
von einer bereits gegebenen Gemeinschaft aller ausgeht.<br />
Religio ist, so angedeu<strong>te</strong>t, eine sittliche Tugend, die keinen<br />
erwünsch<strong>te</strong>n Nutzen hervorbringt, sondem im Widerspruch zum<br />
Funktionsbedarf einer vormoralischen Gemeinschaft ausgeht. Religio<br />
wie <strong>Thomas</strong> sie ausgearbei<strong>te</strong>t hat und wie ich versucht habe, sie zu<br />
positionieren, kann man in den Raum der Religion (mit -n)<br />
einschreiben, wie Lübbe ibn geor<strong>te</strong>t hat. Lübbe hat eben einen Raum<br />
furs theologische Denken freigesetzt. Die Moraltheologie kann jetzt<br />
die ParalIele denken zwischen einem Gott, der gibt und dabei keinen<br />
Schleichhandel mit der Freiheit des Menschen macht, und sie kann<br />
die Beziehung vom Menschen zu Gott denken, die keine direk<strong>te</strong><br />
Funktion oder Nutzen für die Moral zu haben braucht.<br />
Eine solche Zuwendung ist unglaublich wichtig, weil sie<br />
gerade nicht unmit<strong>te</strong>lbar in eine Moral umgesetzt werden muss, auch<br />
nicht in eine eindeutige Moral der Gabe. Sonst gäbe es wiederum,<br />
wie im 18. Jahrhundert, die Gefahr, dass aus der Beziehung von Gott<br />
zu den Menschen unmit<strong>te</strong>lbar eine Ordnung zwischen den Menschen<br />
gedacht wird. Bei Malebranche war das eine irrefiihrende fromme<br />
Liebe zur Ordnung, die Gott geschaffen hat<strong>te</strong> (I 'amour de I'ordre).<br />
In der laizisier<strong>te</strong>n Form der ,Liebe zur Ordnung' Voltaires wurde der<br />
31 Ricoeur(1990), O.C., 47.