Modellprojekt ESCAPE - Familie - Freistaat Sachsen
Modellprojekt ESCAPE - Familie - Freistaat Sachsen
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EVALUATIONSBERICHT<br />
dungen im Spannungsfeld zwischen Freiwilligkeit und Notwendigkeit von Fremdhilfe, zwischen<br />
Früherkennung und der Gefahr von Stigmatisierung oder auch zwischen Spezialisierung und<br />
Entspezialisierung der Hilfen abverlangt.<br />
An dieser „Angebotslücke“ setzte das <strong>Modellprojekt</strong> an. Seine Aufgabe war es, neue und möglichst<br />
unkonventionelle Wege der Hilfe für gefährdete und problembelastete Kinder zu entwickeln,<br />
die dem Prinzip lebensweltorientierter Hilfe und anwaltschaftlicher Unterstützung für sie<br />
und ihre <strong>Familie</strong>n verpflichtet sein sollten. <strong>ESCAPE</strong> verfolgte dabei eine Strategie der Entkriminalisierung,<br />
um zu erproben, was mit frühzeitiger ambulanter Hilfe für die Zielgruppe im Rahmen<br />
institutioneller Zusammenarbeit möglich ist. Sowohl im Projektauftrag des Landesjugendamts<br />
als auch im Selbstverständnis der Modellstandorte und nicht zuletzt im Konzept der wissenschaftlichen<br />
Begleitung ging es dabei um den Versuch, der im Umgang mit delinquent auffälligen<br />
und schwierigen Kindern immer wieder geforderten Pädagogik der “Härte” Alternativen<br />
entgegen zu setzen.<br />
Der vorliegende Abschlussbericht fasst die Erfahrungen, Lernprozesse und Evaluationsergebnisse<br />
des von Juli 2000 bis Mai 2003 an drei sächsischen Orten durchgeführten <strong>Modellprojekt</strong>s<br />
zusammen. Um im Ansatz des Projekts die Unterschiedlichkeit regionaler Lebensbedingungen<br />
zu berücksichtigen, wurden dabei die Großstadt Dresden, die Mittelstadt Riesa sowie die ländliche<br />
Kleinstadt Auerbach ausgewählt. An allen drei Projektorten konnte nach dem Auslaufen der<br />
Modellphase eine Fortführung der Arbeit von <strong>ESCAPE</strong> sichergestellt werden. Aus Sicht der<br />
wissenschaftlichen Begleitung ist dies auch ein Ergebnis der hohen Akzeptanz, die sich die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter der Projekte während der zurückliegenden Jahre in ihrem Arbeitsumfeld<br />
erworben haben.<br />
Die wissenschaftliche Begleitung des Projekts wurde vom Lehrstuhl Sozialpädagogik der Universität<br />
Leipzig, Prof. Dr. Christian v.Wolffersdorff in enger Zusammenarbeit mit Herrn MA Tobias<br />
Strieder vom Caritasverband Leipzig e.V. durchgeführt, der zugleich für die Projektkoordination<br />
verantwortlich war. Durch diese Kooperation zwischen Praxisträger und Universität war<br />
es möglich, eine Reihe von Fragestellungen, denen wir im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung<br />
ansonsten kaum systematisch hätten nachgehen können, mit Hilfe von Magisterarbeiten<br />
zu untersuchen. Insgesamt sind auf diese Weise elf Magisterarbeiten zu sehr unterschiedlichen<br />
Themenbereichen entstanden. Beispiele dafür sind die Kooperationsbeziehungen, die sich<br />
in den einzelnen Projektorten entwickelt haben - speziell zur Zusammenarbeit mit der Schule,<br />
die Möglichkeiten und Grenzen von Elternarbeit, die subjektiven Erfahrungen und Sichtweisen<br />
der Kinder, die methodischen Erfahrungen des Projekts mit Einzelfallhilfe und Gruppenarbeit<br />
oder die Frage der Nachbetreuung von Kindern im Anschluss an die Projektteilnahme (vgl. Kap.<br />
5 in diesem Bericht).<br />
1.2 Drei Zugänge zum Thema Kinderdelinquenz<br />
(1) Kriminalitätsbilder und öffentliche Wahrnehmung: Als im Juli 2000 in Leipzig-Grünau die<br />
Auftaktveranstaltung zu diesem Projekt stattfand, waren die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik<br />
im Bereich Kinder- und Jugendliche über mehrere Jahre hinweg kontinuierlich gestiegen.<br />
Die Medienpräsenz "krimineller Kids" war bundesweit und auch in <strong>Sachsen</strong> beträchtlich.<br />
Grelle Berichte über Kids ohne Gnade, Monsterkids, junge Wilde und ähnliches hatten die Diskussion<br />
über Kinder- und Jugendkriminalität zusätzlich aufgeheizt. In einer Reihe von Landtagswahlkämpfen<br />
und im Bundestagswahlkampf 1998 war das Thema sogar zum Gegenstand<br />
parteipolitischer Auseinandersetzungen geworden.<br />
Von dieser Erregung ist gegenwärtig nicht mehr viel zu spüren. Die Polizeilichen Kriminalstatistiken<br />
der letzten Jahre vermeldeten für den Bereich der Kinderdelinquenz wie auch für die Jugendkriminalität<br />
durchweg rückläufige Werte, die bei oberflächlicher Betrachtung als Anlass für<br />
"Entwarnung" genommen werden könnten. Auch das Medienecho zu diesem Themenkomplex<br />
hat wieder deutlich nachgelassen – ein Hinweis darauf, dass es im öffentlichen Umgang mit<br />
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