Modellprojekt ESCAPE - Familie - Freistaat Sachsen
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<strong>Modellprojekt</strong> <strong>ESCAPE</strong><br />
Was den Einfluss von Gleichaltrigen auf die soziale Entwicklung der Kinder betrifft, so überwiegen<br />
in den Äußerungen dazu befragter Eltern eher die Probleme und Risiken. Vor allem der hohe<br />
Anteil von Delikten, die in der Gruppe begangen wurden, verweist auf einen eher ungünstigen<br />
Einfluss der Peers auf die Kinder im Projekt. Auffällig ist der hohe Anteil an <strong>Familie</strong>n mit<br />
mehr als zwei Geschwistern. Dabei handelt es sich oft auch um Halb- und Stiefgeschwister. Einerseits<br />
stellen sie für die teilnehmenden Kinder wichtige Bezugs- und Vertrauensperson dar,<br />
andererseits gibt es mit Stiefgeschwistern auch häufig Probleme und Konkurrenzkonstellationen.<br />
In der Schule sind die Kinder häufig mit der Erfahrung von Überforderung und Misserfolg<br />
konfrontiert, sei es auf der Ebene der kognitiven Leistungsfähigkeit, sei es auf der Beziehungsebene.<br />
Andauernde Konflikte mit Klassenkameraden und Lehrern lassen für viele Kinder ein<br />
Klima von Unsicherheit, Angst oder Überlastung entstehen, mit dem sie nicht zurecht kommen<br />
und das sie mit unterschiedlichen Mitteln zu kompensieren versuchen. Bereits die Hälfte der<br />
<strong>Familie</strong>n haben bereits Jugendhilfeleistungen in Anspruch genommen – überwiegend handelt<br />
es sich in diesen Fällen um Sozialpädagogische <strong>Familie</strong>nhilfe und Erziehungsberatung. Auffällig<br />
ist allerdings, dass bei keinem der Kinder vor der Vermittlung in das <strong>ESCAPE</strong>-Projekt andere<br />
Formen sozialer Gruppenarbeit oder Einzelbetreuung durchgeführt wurden. Bedeutsam erscheint<br />
weiterhin, dass das Thema Heim bei den Kindern häufig auch dann eine Rolle spielt,<br />
wenn keine eigenen Erfahrungen mit Fremdunterbringung vorliegen – etwa in Form elterlicher<br />
Drohungen mit dem „Erziehungsheim“, mit denen die Sorgeberechtigten letztlich ihre eigene<br />
Hilflosigkeit und Überforderung zum Ausdruck bringen – wie im folgenden Auszug aus einem<br />
Elterninterview deutlich wird.<br />
„Na mein Mann hat generell nur bestraft mit zum Teil auch sinnlosen Bestrafungen.<br />
Also zum Beispiel Stubenarrest, das gipfelte dann darin, dass er gar nicht mehr raus<br />
sollte und ich bin gegen totaler Stubenarrest, das kann man mal zur Not machen, einen<br />
Tag, aber nicht wie er das eben dann gesagt hat, ein ganzes Jahr oder was weiß<br />
ich. Das wurde eben dann halt immer mehr. Dieses Widersprüchliche auch in der <strong>Familie</strong>,<br />
mein Mann lässt sich da nicht lenken oder reinreden und das habe ich zwar versucht<br />
vor dem Jungen nicht rumzubringen, aber das hatte er natürlich mitgekriegt. Und<br />
ich habe da versucht immer auszugleichen und zu vermitteln, vielleicht war es auch<br />
ein bisschen zu viel zu vermitteln, vielleicht hätte ich mich entscheiden sollen für einen<br />
von beiden, aber ich habe ja auch nicht weiter gewusst“<br />
Ein knappes Fünftel der Kinder (18%) hatten bereits Erfahrungen mit stationärer Unterbringung<br />
außerhalb der <strong>Familie</strong>. Vergleicht man die entsprechenden Werte der untenstehenden Tabelle<br />
mit den Zahlen des zweiten Sächsischen Kinder- und Jugendberichtes, so wird deutlich, dass<br />
die von <strong>ESCAPE</strong> betreuten Kinder gegenüber der „Normalpopulation“ in <strong>Sachsen</strong> in sehr viel<br />
größerem Umfang Hilfen zur Erziehung in Anspruch nehmen.<br />
Insgesamt lassen die vorliegenden Informationen den Schluss zu, dass es dem Projekt gelungen<br />
ist, sich in seiner Arbeit auf solche Kinder zu konzentrieren, bei denen die Delikte im Zusammenhang<br />
mit deutlichen psychosozialen Belastungen standen. Die folgende Übersicht ermöglicht<br />
eine Einschätzung zur Art und Ausprägung der Belastungsfaktoren, die dabei im Vordergrund<br />
standen. Als Grundlage der Datenerhebung diente in diesem Zusammenhang ein Elternfragebogen,<br />
der den Eltern der teilnehmenden Kinder einmalig zu Beginn der Maßnahme<br />
vorgelegt wurde. Die in der rechten Spalte aufgeführten Werte zur sächsischen „Normalpopulation“<br />
sind unterschiedlichen Quellen entnommen, die - wenn auch aufgrund der mangelnden<br />
Verfügbarkeit von Daten nicht vollständig - zumindest punktuell Anhaltspunkte für einen Vergleich<br />
bieten und deutlich machen, in welchen Lebensbereichen bei den Kindern von <strong>ESCAPE</strong><br />
von erhöhten Belastungen auszugehen ist.<br />
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