Modellprojekt ESCAPE - Familie - Freistaat Sachsen
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EVALUATIONSBERICHT<br />
Das Jugendhilferecht versteht sich vor allem als ein Dienstleistungsgesetz mit Angebotscharakter<br />
für Kinder, Eltern und <strong>Familie</strong>n zur Verwirklichung des Rechts jedes jungen Menschen auf<br />
Förderung seiner Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen<br />
Persönlichkeit (§ 1). Es betont deutlich den „sozialpädagogischen Sozialleistungscharakter“<br />
der Jugendhilfe (Schone 2002, S. 945). Die einzelnen Leistungen (§§ 11 – 41)<br />
und Aufgaben (§§ 42 – 60) haben unterschiedliche Gewährleistungspflicht. Auch wenn das<br />
KJHG einen differenzierten Katalog vorhält und konstruktive Spielräume anbietet, fehlt es an<br />
speziellen Angeboten für auffällige und mehrfach delinquente Kinder. Gerade diese Kinder jedoch,<br />
so vermuten Praktiker und Experten, werden von den etablierten und tradierten Angeboten<br />
der Kinder- und Jugendhilfe nicht erreicht und zwar unbeachtet der Tatsache, dass hier<br />
nicht selten ein erheblicher erzieherischer Bedarf vorliegt.<br />
Mit der Inanspruchnahme einer Leistung nach dem SGB VIII (KJHG) ist keinesfalls eine Beschränkung<br />
der elterlichen Sorge verbunden. Ganz im Gegenteil: Ganz der Philosophie des<br />
KJHG entsprechend, nach der die „Pflege und Erziehung der Kinder [...] das natürliche Recht<br />
und die zuvörderst obliegende Pflicht [...]“ (§ 1 Abs. 2 KJHG) der Eltern ist, sollen diese Leistungen<br />
„helfende, unterstützende, auf Herstellung oder Wiederherstellung eines verantwortungsgerechten<br />
Verhaltens der natürlichen Eltern gerichtete Maßnahmen“ sein (Kunkel 2001, S.<br />
19).<br />
Die rechtliche Position der Eltern ist in Deutschland sehr stark gemacht worden. Das in Art. 6<br />
Abs. 2 Satz 1 GG verankerte Elternrecht bezeichnet die Pflege und Erziehung der Kinder als<br />
natürliches Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegende Pflicht. Das Elternrecht garantiert<br />
den Eltern gegenüber dem Staat den Vorrang als Erziehungsträger. Es wird den Eltern ein<br />
Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die Erziehung der Kinder gewährt, jedoch nur so weit,<br />
wie es dem Wohl des Kindes dient (vgl. Schone 2002, S. 946).<br />
Ist das Kindeswohl sichtlich gefährdet und sind die Eltern bzw. Personensorgeberechtigten<br />
nicht gewillt oder nicht in der Lage, diese Gefährdung abzuwenden, so ist der Staat befugt einzugreifen.<br />
In § 1666 BGB wird das staatliche Wächteramt im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 2 GG<br />
konkretisiert. Die Fachkräfte des Jugendamtes sind bei begründetem Verdacht dazu verpflichtet,<br />
das <strong>Familie</strong>ngericht zu informieren (§ 50 Abs. 3 KHJG) und gegebenenfalls Zwangsmaßnahmen<br />
zu veranlassen.<br />
Aus der Rechtslage geht hervor, dass die Jugendhilfe mit einem Doppelmandat von Hilfe und<br />
Kontrolle konfrontiert ist. Einerseits soll die Jugendhilfe den Kindern, Jugendlichen und Eltern<br />
helfen, sie fördern, beraten und unterstützen und andererseits muss sie eingreifend tätig werden,<br />
wenn das Wohl von Kindern und Jugendlichen gefährdet ist.<br />
Bevor ein massiver Eingriff im Zwangskontext erfolgt, sollten andere pädagogische Konzepte<br />
Vorrang haben. Um Zwangsmaßnahmen vorzubeugen, braucht daher manch freiwilliges Angebot<br />
der Jugendhilfe im Einzelfall mehr Nachdruck und Beratung über die Notwendigkeit von Hilfe.<br />
Wer Feuerwehr spielen muss, sollte auch im Brandschutz aktiv werden und dafür die entsprechenden<br />
Mittel bereitgestellt bekommen.<br />
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