Modellprojekt ESCAPE - Familie - Freistaat Sachsen
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<strong>Modellprojekt</strong> <strong>ESCAPE</strong><br />
bilder seien, antwortete er: „mein Großonkel und mein Dad“. Stolz ist Lukas darauf, eines der<br />
ersten Kinder im <strong>ESCAPE</strong>-Projekt gewesen zu sein und insgesamt sieben Monate dabei gewesen<br />
zu sein. Er selbst, aber auch die Mitarbeiter, bewerten seine Teilnahme als erfolgreich und<br />
positiv. Er verließ das Projekt mit positiven Wertungen, mit dem Interesse an einer Nachbetreuung<br />
und der Teilnahme in einem Karatesportclub. Verschiedene Versuche, die Schule wieder<br />
zu besuchen, schlugen fehl, da die Eltern (insbesondere die Mutter) ihren Teil der Verantwortung<br />
und die Vereinbarungen nicht erfüllten und auch Lukas Absprachen nicht einhielt, obwohl<br />
er andererseits offenkundiges Interesse an einem regelmäßigen Schulbesuch zeigte. Bei der<br />
Bearbeitung des Themas Schule wich Lukas in den Gesprächen mit den Mitarbeitern von<br />
<strong>ESCAPE</strong> und in der Gruppe meist aus. Dabei überspielte er die unüberwindbaren Ängste vor<br />
einem erneuten Schulbeginn mit „Coolness“.<br />
Lukas´ Gruppenverhalten veränderte sich im Verlaufe der Gruppenphase von sehr dominant,<br />
selbstherrlich und z.T. rücksichtslos hin zu dem Verhalten eines Gruppenmitgliedes, welches<br />
andere Meinungen wahrnimmt und Kompetenzen der anderen auch anerkennt und für sich<br />
nutzt. Auch wenn das Verhalten des Jungen besonders bei Konflikten von Dominanzstreben<br />
und körperlichem Stärkegebaren gekennzeichnet war, konnten zunehmend auch andere Verhaltensanteile<br />
wahrgenommen werden – Offenheit für Gespräche, Rücksichtnahme auf die<br />
Meinungen anderer, Nachdenklichkeit. Seit Projektbeginn liegen über Lukas keine neuen Polizeimeldungen<br />
vor. Aufgrund der <strong>Familie</strong>nsituation war Elternarbeit und damit eine explizite Hilfe<br />
für die Eltern nicht möglich. Die einzigen Kontakte realisierten sich über eine Reihe von Hausbesuchen.<br />
Die Fallgeschichte bringt die belastete familiäre Situation zum Ausdruck, in der Lukas aufwachsen<br />
muss. Dennoch bedeutet ihm seine <strong>Familie</strong> sehr viel. Die Ambivalenz der Beziehungen<br />
wird zu einem Teufelskreis, aus dem Lukas nur mit fremder Hilfe heraus kommen kann. Obwohl<br />
Hilfen zur Erziehung in der <strong>Familie</strong> bereits zum Einsatz kamen, bezogen sich diese nie direkt<br />
auf Lukas. In einem Interview bringt er zum Ausdruck, dass er vor <strong>ESCAPE</strong> noch nie etwas mit<br />
Jugendhilfe zu tun gehabt hat. Dabei wäre es mit einem individuell abgestimmten und auf Lukas<br />
bezogenen Hilfeangebot möglicherweise schon sehr viel früher notwendig und möglich gewesen,<br />
die Situation zu verändern. Lukas konnte relativ schnell von <strong>ESCAPE</strong> überzeugt werden<br />
und zeigte die Bereitschaft, sich auf das Projekt einzulassen. <strong>ESCAPE</strong> hat ihn dort „abgeholt“,<br />
wo er stand und gab ihm die ersehnte Aufmerksamkeit. Er lernte in der Gruppenarbeit Freunde<br />
kennen und konnte Konflikte schließlich auch gewaltfrei lösen. Für seine ’Kumpels’, mit denen<br />
er die Straftaten zum Teil gemeinsam begangen hatte, hat er nach eigenen Angaben seit<br />
<strong>ESCAPE</strong> gar keine Zeit mehr, und den Kontakt zu ihnen hat er abgebrochen: „Na, und ich hab<br />
mich auch bissel gefreut drüber, von denen wegzukommen.“ Neben <strong>ESCAPE</strong> führt er sein<br />
nunmehr „straffreies“ Verhalten auch auf seine Freundin zurück, die ihn von neuen Straftaten<br />
und alten Verbindungen abhält. Er bereut seine Straftaten und wünscht sich für die Zukunft ein<br />
normales Leben. In einem anderen Zusammenhang erwidert Lukas auf die Wunschfrage allerdings:<br />
„Drei Wünsche? //mm// Ich sag mal so, (lacht) da ich in der rechten Szene bin, würd<br />
ich mir als erstes wünschen, dass alle Ausländer aus Deutschland raus gehen,//mm//<br />
und dann, dass es mehr Arbeit gibt und dass es keine Bullen mehr gibt (lacht).“<br />
Verfestigte Einstellungs- und Verhaltensmuster lassen sich nicht innerhalb weniger Wochen<br />
auflösen und bringen die Anfälligkeit und Widersprüchlichkeit von Lukas zum Ausdruck. Die<br />
Heimunterbringung kann insofern zu einer Stabilisierung der Normalitätsperspektive beitragen.<br />
Lukas nutzte die Angebote im Rahmen der Nachbetreuung regelmäßig. Auch wenn sich eine<br />
stationäre Unterbringung nicht vermeiden ließ und das Thema Schulverweigerung nur partiell<br />
bearbeitet werden konnte, hat sich gezeigt, dass es mit Hilfe von <strong>ESCAPE</strong> gelang, eine Beziehung<br />
aufzubauen und mit dem Kind gemeinsam kleine Schritte zu gehen. Wie aus den personenbezogenen<br />
Daten des LKA hervorgeht, wurde der Junge hinterher nicht wieder rückfällig<br />
(Stand Mai 2003).<br />
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