Modellprojekt ESCAPE - Familie - Freistaat Sachsen
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EVALUATIONSBERICHT<br />
gebot für delinquente Kinder standen, erwiesen sich die anfangs formulierten Zugangskriterien<br />
von daher bereits in den ersten Projektmonaten als zu starr. Sie blockierten die Vermittlung von<br />
potentiell in Frage kommenden Kindern mit einem entsprechenden Hilfebedarf. Es dauerte fast<br />
vier Monate, bis das erste Kind in einen der Projektstandorte vermittelt war, fast acht Monate,<br />
bis die erste Gruppenarbeit in Dresden und Riesa beginnen konnte.<br />
Aufgrund der zahlreichen erfolglosen Vermittlungsbemühungen wurde von allen beteiligten Institutionen<br />
und Kooperationspartnern das Anliegen geäußert, die Zugangskriterien weniger eng<br />
zu formulieren und auf das Dunkelfeld auszuweiten. Da sich der Handlungsauftrag der Jugendhilfe<br />
ohnehin primär auf den erzieherischen Bedarf bezieht, erfolgte mit Zustimmung des Landesjugendamtes<br />
noch im ersten Halbjahr der Modellphase eine Öffnung der Zugangskriterien,<br />
die sich zwar weiterhin an delinquentem Verhalten orientierten, aber dennoch eine flexiblere<br />
Handhabe der Vermittlung ins Projekt möglich machten. Wiederholtes straftatrelevantes Verhalten<br />
im Hell- und im Dunkelfeld wurde von nun an allgemein zum Anlass genommen, um den<br />
Hilfebedarf abzuklären und ggf. angemessene Hilfe anzubieten. Auch wenn teilweise eine Öffnung<br />
der Altersbegrenzung insbesondere von der Polizei gefordert wurde, hielt man an dem<br />
Kriterium der Strafunmündigkeit fest.<br />
Neben der Polizei und der öffentlichen Jugendhilfe rückten mit der Zugangserweiterung verstärkt<br />
auch informelle Zugangswege über die Schulen und über freie Jugendhilfeeinrichtungen<br />
in den Blick, in denen delinquente Verhaltensweisen von Kindern in unterschiedlichen Kontexten<br />
wahrgenommen wird. Auch wenn es durch die veränderten Zugangskriterien einen leichten<br />
Anstieg der Fallzahlen gab, entsprach die reale Anzahl der Fallanfragen nicht den Erwartungen<br />
und stand im Widerspruch zu dem von den beteiligten Institutionen immer wieder geäußerten<br />
Bedarf an einem solchen Hilfsangebot. Besonders offensichtlich war dieser Widerspruch seitens<br />
der Schulen, die ausgesprochen wenige Kinder ins Projekt vermittelten. Die Ursachen lagen<br />
einerseits an der mangelnden und lückenhaften Verbreitung der geänderten Zugangskriterien<br />
mit einer jeweils eigenen und kaum nachvollziehbaren institutionellen Vermittlungslogik –<br />
bis zum Schluss gab es potentielle Vermittlungspartner, die noch nichts von den geöffneten Zugangskriterien<br />
wussten – und andererseits fanden darin auch die strukturellen Probleme und<br />
Grenzen der Zusammenarbeit von Institutionen mit unterschiedlichen Handlungsaufträgen ihren<br />
Ausdruck.<br />
Der durch die erweiterten Zugangskriterien eröffnete Handlungsspielraum und die damit verbundene<br />
- wenig spezifizierbare - Orientierung am Hilfebedarf setzte zur Vermeidung von Vermittlungswillkür<br />
bei den Projektmitarbeitern ein hohes Maß an Fachlichkeit und eine enge Zusammenarbeit<br />
mit dem Jugendamt voraus. Trotz spürbarer Unsicherheiten im Einzelfall gelang<br />
insbesondere in den Standorten Auerbach und Dresden im Prozess der Zielgruppenvermittlung<br />
ein flexibler und kreativer Umgang mit den Zugangskriterien.<br />
5.2.3 Jugendhilfe am Übergang vom Kind zum Jugendlichen – zum Problem der „Lücke“<br />
Vor dem Hintergrund der geringen Fallzahlen und der Schwierigkeiten bei der Erreichbarkeit der<br />
Zielgruppe, stellte sich neben der statistischen Analyse der PKS auch die qualitative Frage<br />
nach dem konkreten Bedarf, der bei der Evaluation in einer Teiluntersuchung über die Sicht der<br />
Jugendhilfeplaner in den Modellstandorten gesondert nachgegangen wurde.<br />
Bei der Zielgruppe des <strong>Modellprojekt</strong>es <strong>ESCAPE</strong> handelt es sich um eine Altersgruppe, die aus<br />
entwicklungspsychologischer Sicht mit dem Merkmal des Übergangs vom Kind zum Jugendlichen<br />
gekennzeichnet ist. Damit verbinden sich zugleich Übergangs- und Lückephänomene auf<br />
verschiedenen Ebenen. In diesem Zusammenhang wird deshalb auch der Begriff der „Lückekids“<br />
geprägt und diskutiert, der einerseits ein Defizit beschreibt, andererseits eine Phase, die<br />
jedes Kind durchläuft.<br />
Wie aus der Untersuchung von Friedrichs (1984) über das Freizeitverhalten von Kindern hervorgeht,<br />
gibt es für die Altersgruppe der neun bis vierzehnjährigen Kindern eine institutionelle<br />
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