Modellprojekt ESCAPE - Familie - Freistaat Sachsen
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EVALUATIONSBERICHT<br />
hier geht es ausdrücklich nicht um gesondert zu schaffende Angebote, sondern um die Integration<br />
der Kinder in bereits bestehende Einrichtungen bzw. Maßnahmen. Das schließt ein, dass<br />
bestehende Angebote konzeptionell für dieses Angebot geöffnet werden. Grundsätzlich können<br />
dabei alle Angebotsformen (§§27 ff KJHG) dieser Zielgruppe geöffnet werden. Die Entscheidung<br />
darüber, welches Angebot angemessen ist, hängt dabei ausschließlich vom Hilfebedarf<br />
ab. Eine solche Integration setzt allerdings voraus, dass die Mitarbeiter in den jeweiligen Einrichtungen<br />
entsprechend qualifiziert sind. Neben einer Qualifikation im engeren Sinne schließt<br />
das in diesem Arbeitsgebiet den professionellen und kooperativen Umgang mit (potentiellen)<br />
Kooperationspartnern, also der Polizei und gegebenenfalls der Justiz ein. Hier können bestehende<br />
Projekte auf die Erfahrungen der Mitarbeiter des <strong>ESCAPE</strong>- Programms zurückgreifen.<br />
Abschließend soll noch auf die Möglichkeiten der Förderung im Bereich der <strong>Familie</strong>nbildung<br />
nach § 16 KJHG verwiesen werden. Der Anspruch einer begleitenden Eltern- bzw. <strong>Familie</strong>narbeit<br />
im Rahmen der Maßnahme erlaubt auch kreative Querverbindungen.<br />
Mit der hier beschriebenen Fortführung der Arbeit wird nicht nur dokumentiert, dass eine zentrale<br />
Erwartung an ein Modellprogramm, nämlich die Arbeit nach der Modellphase in ein Regelangebot<br />
zu überführen, erfolgreich bewältigt wurde – und zwar von allen drei Standorten. Darüber<br />
hinaus bestätigt sich, dass die gesetzliche und inhaltliche Regelpraxis ausreichend „Nischen“<br />
für Neuentwicklungen bereithält. Voraussetzung für die Implementierung in die Regelpraxis im<br />
Fall der <strong>ESCAPE</strong> – Projekte war es dabei allerdings, dass die Arbeit mit delinquenten Kindern<br />
flexibel mit bereits existierenden Angeboten verknüpft wird. Dies ist nicht nur unter finanziellen,<br />
sondern darüber hinaus auch unter pädagogischen Gesichtspunkten sinnvoll: So kann einerseits<br />
eine Stigmatisierung der Kinder vermieden und gleichzeitig ihre mittel- und langfristige Integration<br />
in andere Angebote realisiert werden.<br />
8. Schluss<br />
Kindliche Lebenswelten haben viele Seiten und Ausdrucksformen. Erwachsene tun sich in ihrem<br />
rationalen Denken oft schwer, sich in die Welt der Kinder hineinzuversetzen. Dass für Erwachsene<br />
ganz andere Dinge im Leben wichtig sind als für Kinder, wird bereits in dem allseits<br />
bekannten Buch „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry eindrücklich beschrieben. Nur<br />
selten gelingt es, im öffentlichen Raum die Perspektive des Kindes einzunehmen - wie in der<br />
Aufschrift auf einem Hinweisschild am Zugang zu einem öffentlichen Spielplatz, auf dem sinngemäß<br />
zu lesen war: „Diesen Platz dürfen Erwachsene nur in Begleitung von Kindern betreten.“<br />
Um Kinder in ihren Ausdrucksformen zu verstehen, muss ihre Sicht der Dinge in die pädagogische<br />
Arbeit einfließen. Erziehung versteht sich dabei als eine Kunst, einerseits die notwendige<br />
Anpassung an gesellschaftliche Normen zu leisten und andererseits die Autonomie des Einzelnen<br />
zu stärken. Dazu bedarf es der Sensibilität für die Situation und der Ausgewogenheit des<br />
Anspruchs von „Fördern und Fordern“. Dazu braucht es aber auch Erzieher mit Vorbildfunktion.<br />
Grenzen zu setzen und aufzuzeigen ist legitim und notwendig. Dabei aber auszugrenzen und<br />
bei Verstößen gleichsam die ganze Person in Frage zu stellen, hinterlässt prägende Spuren.<br />
Projekte wie <strong>ESCAPE</strong> nehmen Politik und Jugendhilfe nicht aus der Pflicht, das Thema Kinderdelinquenz<br />
ganzheitlich anzugehen und gesamtgesellschaftlich zu diskutieren. Der wichtigsten<br />
Sozialisationsinstanz <strong>Familie</strong> darf nicht erst politische Aufmerksamkeit geschenkt werden, wenn<br />
sie den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entspricht. Es bedarf vielmehr einer generellen<br />
Entlastung, Förderung und Unterstützung der <strong>Familie</strong> auf den verschiedensten Ebenen unserer<br />
Wohlstandsgesellschaft, in der Kinder zunehmend ein Armutsrisiko darstellen. Junge Menschen<br />
brauchen Zukunftsperspektiven und Rahmenbedingungen für eine förderliche und wertgetragene<br />
Persönlichkeitsentwicklung.<br />
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