27.02.2013 Aufrufe

Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Ergebnisse.<br />

Alle jetzt noch vorliaiidene <strong>Anthropophagie</strong> — und sie ist nur<br />

noch über einen verhältnismäßig geringen Bruchteil der Menschheit<br />

verbreitet — erscheint aber nur als Überrest der einst allgemein<br />

vorhandenen. <strong>Die</strong>jenigen Völker, bei denen wir sie noch finden,<br />

haben sie seit Urzeiten, über die ersten Vorkommnisse bei ihnen<br />

liegen keine Nachrichten vor und nirgends läßt sich erkennen, daß<br />

erst neuerdings der Kannibalismus eingeführt worden sei.<br />

Kein Erdteil ist vom Kannibalismus frei zu sprechen; wo er<br />

heute nicht mehr herrscht, da bestand er früher, reiche und arme<br />

Länder kannten ihn oder kennen ihn noch, er kommt in Amerika<br />

vor von den eisigen Gegenden des Hudsonbaigebietes durch die<br />

Tropen bis zur Südspitze des Kontinents. In allen Zonen ist die<br />

<strong>Anthropophagie</strong> verbreitet, doch ist sie heute wesentlich im Grebiete<br />

der Tropen zu Hause, wenn wir auch keinen genügenden Grund<br />

hierfür anzugeben im stände sind. Sie ist bei seßhaften, ackerbautreibenden<br />

Völkern, wie in Afrika, im günstigen Schwange und<br />

hndet sich nicht minder bei umherschweifenden Horden, wie in<br />

Amerika und Australien.<br />

Wie die <strong>Anthropophagie</strong> aus dem Hunger sich heraus zur Ge-<br />

wohnheit entwickelt und durch die physikalischen Verhältnisse eines<br />

Landes bedingt wird, kann an dem Beispiele von Australien gezeigt<br />

werden. Li Australien liegt der Fall vor, daß unfi'uchtbare Land-<br />

striche häufig genug die dürftige Nahrung versagen, von der sonst<br />

die dünn gesäte Bevölkerung das kümmerliche Leben fristet. Mit<br />

der eintretenden oft alle Lebenskeime versengenden Dürre ver-<br />

schwanden die Tiere, die neben dürftigen Vegetabilien den Unter-<br />

halt der Schwarzen ermöglichte. Geht die Horde, durch Nahrungs-<br />

mangel gezwungen, nicht sofort zum Kannibalismus innerhalb des<br />

eigenen Stammes über, so wandert sie aus und sucht andere Land-<br />

striche auf, die weniger oder nicht von der Trockenheit gelitten<br />

haben und Erhaltungsmittel darbieten. Von gleichen Gründen ge-<br />

trieben, ziehen aber auch andere, feindlich gesinnte Stämme nach<br />

denselben Gegenden, wo nun um das Jagdrecht ein Streit entsteht.<br />

Der Kampf beginnt und die Hungernden verzehren das Fleisch der<br />

gefallenen Feinde, das ihnen willkommene Nahrung bietet. Jetzt<br />

ist auch der Augenblick gekommen, daß die Rachsucht als Be-<br />

weggrund der <strong>Anthropophagie</strong> einsetzt. Der getötete Feind soll<br />

gänzlich vernichtet werden und der Australier ißt mit Vorliebe<br />

,, Zunge und Herz'' des erlegten Feindes i, die Organe, von denen<br />

' W. Powell, Unter den Kannibalen von Neu-Britannien. Leipzig 1884. 220.<br />

J J

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!