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Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

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vermisclit getrunken.^ Wenn, nach Bowdich, der Fetisclimann der<br />

Aschanti das Herz eines gefangenen Feindes frißt, so tlmt er dies,<br />

um nicht durch den Geist des Gestorbenen gequält zu werden, von<br />

dem er annimmt, daß er seinen Sitz im Herzen hat. <strong>Die</strong> Yamas<br />

am Amazonenstrom verzehren das Mark aus den Knochen ihrer<br />

Toten, weil sie wähnen, daß dadurch die Seele des Verstorbenen in<br />

ihren Körper übergehe (Maecoy). <strong>Die</strong> Dajaks geben nach MIillee-<br />

Knaben die Stirnhaut und das Herz erlegter Feinde zu essen, um<br />

sie tapfer und muthig zu machen. <strong>Eine</strong> Chippeway-Indianerin füt-<br />

terte ihre Kinder aus dem gleichen Grunde mit dem Fleische eines<br />

Engländers (Long); bei den Südaustraliern erlangt ein älterer Bru-<br />

der die Körperkraft seines jüngeren Bruders, wenn er ihn frißt<br />

(Stanbridge) ; in Queensland verzehrt die Mutter ihr neugeborenes<br />

Kind in dem Wahne, die ihr durch die Leibesfrucht entzogene<br />

Kraft wieder zu gewinnen (Axgas) und daselbst glaubt man sogar<br />

durch Verzehren die Toten zu ehren. <strong>Die</strong> Maoris wähnten nach<br />

Cook, daß die verzehrten Feinde in ein ewiges Feuer kämen.<br />

Überall sehen wir daher, wie der Glaube an das Dasein einer<br />

Seele, einer besonderen geistigen Kraft in dem zu Verzehrenden,<br />

als die letzte Ursache der <strong>Anthropophagie</strong> zu betrachten ist. Der<br />

Geist und die Tugenden des Verzehrten sollen durch den Genuß<br />

des Menschenfleisches in den Besitz des Essenden übergehen, gerade<br />

so, wie ihm durch andere Nahrung Zuwachs an physischer Kraft<br />

entsteht.'^<br />

Eng verschwistert mit dem Aberglauben ist der andere Be-<br />

weggrund, die Rachsucht. Am klarsten und deutlichsten wird uns<br />

derselbe bei den Mesayas am Amazonenstrom, die das Fleisch des<br />

erschlagenen Feindes, nachdem sie es mit Widerwillen hinabgewürgt<br />

haben, wieder durch Erbrechen von sich geben (Margot). <strong>Die</strong><br />

Strafe ist dann vollzogen, der Rachsucht Genüge geleistet, der Ge-<br />

nuß des Menschenfleisches an und für sich erscheint den Mesayas<br />

ekelhaft. Wilde Rachsucht war auch bei den Kariben die Ursache<br />

^ Wallace, Amazon and Eio Xegro. London 1858. -498.<br />

' Allgemeine Ethnographie. 315.<br />

^ In Parallele dazu steht der bei Naturvölkern weit verbreitete Wahn, daß<br />

gewisse Tiere oder Pflanzen durch Verspeisen besondere Eigenschaften verleihen.<br />

Ich könnte Dutzende von Beispielen anführen, erwähne aber nur die Zaparos<br />

am Napo in Südamerika, welche mit Vorliebe Fische, Affen und Vögel ver-<br />

speisen, „um flink und gewandt zu werden". Sie verschmähen aber das Fleisch<br />

schwerfälliger Tiere, wie Tapir und Peccari, „damit sie nicht plump wie diese<br />

werden". Denn solche Eigenschaft ist störend für ein Urwaldjägervolk (Journal<br />

Anthropol. Institut. VII. 503).

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