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Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

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84 <strong>Die</strong> Tupi.<br />

Hafen Sta. Lucia blieb, erzählt uns ein Geschichtchen<br />

^ — das den<br />

Ursprung der <strong>Anthropophagie</strong> bei den Tupivölkern erklären soll.<br />

,,<strong>Die</strong> Einwohner haben den Gebrauch Menschenfleisch zu essen,<br />

üben aber diese Grausamkeit nur gegen ihre Feinde aus, und sagen,<br />

diese Gewohnheit habe ihren Anfang durch eine Frau genommen,<br />

deren einziger Sohn ermordet war. Als man nachher verschiedene<br />

von den Thätern gefangen zu der Alten geführt, wäre sie als ein<br />

wüthender Hund auf einen von ihnen gestürzt und hätte ihm einen<br />

Teil der Schulter abgefressen. <strong>Die</strong>ser wäre nachher zu den Sei-<br />

nigen entflohen und hätte ihnen seine Schulter gewiesen, worauf sie<br />

alle angefangen, das Fleisch ihrer Feinde zu verzehren. Doch<br />

essen sie solches nicht auf einmal, sondern schneiden es in Stücken<br />

und hängen es in den Rauch, und einen Tag essen sie ein Stück<br />

gekocht, und den andern gebraten, zum Andenken ihrer Feinde.'*<br />

Daß der Kannibalismus sich nach Süden zu bis an den la<br />

Plata erstreckte, dafür haben wir abermals Pigafettas Zeugnis.<br />

Unter 34 ^j^ Grad fanden die Weltumsegler einen großen Fluß von<br />

süßem Wasser — den la Plata — und „gewisse Leute, die man<br />

Kannibalen nennt und die Menschenfleisch essen. Unter anderen<br />

sahen wir einen derselben von unserem Schifl", der so groß wie ein<br />

Riese war und eine Stimme hatte wie ein Stier''. Der Name Kan-<br />

nibalen für Anthropophagen war also damals — 28 Jahre nach<br />

Entdeckung der Neuen Welt — schon gang und gäbe.<br />

Nehmen wir eine der alten Reisebeschreibungen, eines der zahl-<br />

reichen Flugblätter zur Hand, die im Beginn des IG. Jahrhunderts,<br />

kurz nach der Entdeckung Brasiliens, erschienen und von dieser<br />

handehi, so flnden wir unfehlbar Berichte über die dort herrschende<br />

Menschenfresserei.<br />

So zeigt ein um jene Zeit zu Nürnberg oder Augsburg ge-<br />

drucktes Blatt das Bild eines brasilianischen Indianers nebst Er-<br />

läuterung, in der es heißt: ,,Sy streiten auch miteinander. Sy essen<br />

auch einander selbst die erschlagen werden und hencken dasselbig<br />

Fleisch in den rauch." ^ Keiner aber hat die <strong>Anthropophagie</strong> der<br />

Tupivölker besser und eingehender geschildert als unser Landsmann<br />

Hans Stauen aus Homburg in Hessen, der als Abenteurer im Jahre<br />

^ Ant(jn PuiAFKTTA: Erstc Reise um die Welt durch Ferdinand Maüelhan.<br />

Aus dem Italienischen, lu C. !\I. Si-iMCNuEr-s ßeiträgen zur Volker- und Länder-<br />

kunde. Leipzig 1784. IV. 13.<br />

1868. 14.<br />

- A. a. O. Ifi.<br />

^ Vierter und Fünfter Jahresbericht des \'ereins für Erdkunde zu Dresden.<br />

-

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