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Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

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Neu-Seeland.<br />

aufhören, wozu die Einfüliriing der europäischen Haustiere wohl<br />

auch das ihrige mit beitragen werde.<br />

Alle späteren Eeisenden, sowie die Missionare bestätigten im<br />

vollsten Maße die weite Verbreitung der <strong>Anthropophagie</strong> unter den<br />

Neu-Seeländern und wenn die Missionare entsetzt darüber jammerten,<br />

antworteten die Maoris : „<strong>Die</strong> großen Fische fressen die kleinen, Hunde<br />

fressen Menschen, Menschen Hunde, Hunde einander, Vögel einander,<br />

ein Gott den andern."<br />

Aus den Überlieferungen der Maoris soll hervorgehen, daß der<br />

Kannibalismus erst lange nach ihi-er Einwanderung auf Neu-Seeland<br />

aufkam und Hochstetter nimmt an, daß die <strong>Anthropophagie</strong> da-<br />

selbst zur Zeit der Entdeckung ihren Gipfelpunkt erreicht hatte ;<br />

Frauen war übrigens der Genuß von Menschenfleisch nur in Aus-<br />

nahmefällen gestattet. Was den Ursprung der Menschenfresserei<br />

betrifft, so ist derselbe Forscher der Ansicht^, daß mit der Zunahme<br />

der Bevölkerung auf den Inseln das Erträgnis der ohnehin wenig<br />

ergiebigen Jagd und damit die einzige Quelle der Fleischnahrung<br />

immer spärlicher wurde, und daß um neue Jagdgebiete, um gutes<br />

Ackerland und um ergiebige Fischplätze Streitigkeiten entstanden,<br />

die zum Kriege fühi'ten. Durch diese Kriege verwilderte der Geist<br />

des Volkes, die Feldarbeiten wurden vernachlässigt, Not trat ein<br />

und Hunger im Verein mit Rachedurst und Haß führten im Kriege<br />

zu den ersten Fällen des Kannibalismus. Aber die Kriege dauerten<br />

fort, der Mangel an Fleischnahrung wird mit der allmählichen Aus-<br />

rottung der Tier- und Vogelarten (der Moas etc.), die das Haupt-<br />

jagdwild ausmachten, immer fühlbarer, und was anfangs nur in der<br />

höchsten Not und in der äußersten Aufregung der Leidenschaften<br />

als vereinzelter Fall vorgekommen, wurde nach und nach ein fürchter-<br />

licher Brauch, der erst dann wieder aufhörte, als durch die Ein-<br />

führung ergiebiger Nahrungsquellen dem Mangel und Elend abgeholfen<br />

und die Grundursache der blutigen Kriege gehoben wm-de. Das<br />

geschah mit der Einführung der Schweine, Kartoffeln und Getreidearten<br />

durch die Seefahrer zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Dazu<br />

kamen die wohlthätigen Einflüsse des Christentums, das die wilden<br />

Sitten milderte und so verzeichnet die Geschichte schon im Jahre<br />

1843 — siebzig Jahre nach Cook — den letzten (?) wirklichen Fall<br />

von Kannibalismus. 2<br />

* Hochstettee, Neuseeland. Stitttgart 1863. 469.<br />

^ „Saraca, der 'letzte' Menschenfresser auf Neuseeland, ist im April 1872<br />

in Olunemuri gestorben. Er befehligte auf dem letzten Kriegszuge, nach wel-<br />

6°<br />

den

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