Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie
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14 Alte geschichtliche Nachrichten über <strong>Anthropophagie</strong>.<br />
fresser gäbe, wie unter den Briten, welche die Iris genannte Insel<br />
(das heutige Irland) bewohnen.^ Bei den blutigen Bacchanalen,<br />
die Omophagien genannt wurden und die man alle drei Jahre be-<br />
ging, geschah es nach dem Zeugnis des Porphyeiüs - daß man,<br />
namentlich auf Chios und Tenedos, einen Menschen gliedweise zer-<br />
stückelte und dessen Fleisch roh verschlang. Aber nicht allein auf<br />
Griechenland beschränkten sich solche Mysterienbräuche. Nach<br />
Sallust ^ tranken Catilina und seine Genossen zur Bekräftigung<br />
ihres Bundes nicht bloß Menschenblut unter Wein gemischt, sondern<br />
es wurde auch nach den bestimmten Versicherungen der Alten ein<br />
Knabe geopfert, auf seine Eingeweide geschworen und davon gegessen.<br />
JüVENAL redet von den Knabengedärmen, welche der Haruspex durch-<br />
wühlt. Kleine Kinder zu religiösen Zwecken geopfert zu haben macht<br />
HoRAz in seiner fünften Epode der vormals geliebten Canidia zum Vor-<br />
wurf. Unter den christlichen Vätern erwähnt Tertulliax die Schauer-<br />
lichkeit, wie man bis auf seine Zeit im Bunde des Jupiter Menschen-<br />
blut getrunken. ^ Juvenal, welcher unter Domitian nach Ägypten<br />
verbannt wurde, warf auch den Ägyptern vor, dass sie den Genuß<br />
von Menschenfleisch gestatteten. ^ Noch in die ersten- christlichen<br />
Jahrhunderte hinein hören Avir die Beschuldigung des Kannibalismus<br />
vorgetragen. Der heilige Hieeontjius, welcher gegen Ende des<br />
vierten und im Anfang des fünften Jahrhunderts schrieb, schildert<br />
als Augenzeuge, daß die Atticoten sich von Menschenfleisch nährten<br />
und den Busen der Weiber und den Hintern als besondere Lecker-<br />
bissen genossen.<br />
^<br />
^ Editio DiNDORF et Müller. Paris 1855. p. 273.<br />
2 abst. II. 55. 3 Qj^til. 22.<br />
* Adv. gnost. c. 7. Et Latio in hodiernuin diein Jovi media in urbe<br />
humanus sanguis ingvistatur.<br />
° Sat. XV. Noch im 13. Jahrhundert werden die Ägypter, und zwar das<br />
ganze Volk, der Menschenfresserei angeklagt. Damals bereiste ein Arzt aus Bag-<br />
dad, Abd-Allätif, ihr Land: „Als die Armen Menschenfleisch zu essen begannen,<br />
waren Abscheu und Erstaunen darüber so außerordentlich, daß die fürchter-<br />
lichen Berichte nicht aufhörton, das Tagesgespräch zu bilden. Endlich gewöhnte<br />
sich aber das Volk daran und erlangte solchen Geschmack an der schrecklichen<br />
Nahrung, daß selbst reiche und geachtete Leute sie als gewöhnliche Speise zu<br />
sich nahmen und selbst Vorräte von Menschenfleisch einlegten." Winwood<br />
Keade, Savage Africa. London 1863. 157. Bei dem alten Kulturs-olke der<br />
Ägypter läßt sich dagegen keine 8pur von <strong>Anthropophagie</strong> dai'thun.<br />
^ Sanctus HiERoxYMus, adversus Jovinianum. Hb. II. t. IV. 2» pars. p. 202<br />
der Folioausgabe. Paris 1706. Quum ipse adolescentulus in Gallia vidcrim<br />
Atticotos, gentem britannicam, humanis vesci carnibus ; et quum per sylvas por-<br />
corum greges et armentorum pecudumque repcriant, pastorum nates et femina-