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Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

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Überlebsel im Volksglauben.<br />

und Brauer, heran, um in einem Lappen einige Tropfen davon auf-<br />

zufangen. Der Lappen mit solchem Blut wurde von den Bäckern<br />

in den Brotteig, von den Brauern in das Bier getaucht, damit sie<br />

Kundenzulauf erhielten, ^)<br />

Mit solchem Aherglauben hängen auch sich wiederholende<br />

Grabschändungen zusammen, wobei den Leichen Blut oder Stück-<br />

chen Fleisch entnommen werden, um sie Erkrankten einzugeben,<br />

wie derlei Fälle 1871 und 1877 festgestellt sind zu Eostasin bei<br />

Lauenburg (Pommern) und Heidemühl (Kreis Schlochau). Gottfi-ied<br />

Dallian aus Neukirch bei Elbing ermordete und beraubte am 31.<br />

Dezember 1865 die ledige Elisabeth Zernickel und verzehrte, wie<br />

die Gerichtsverhandlung ergab , einen Teil ihres ausgebratenen<br />

Bauchfleisches „um Ruhe in seinem Gewissen zu finden". <strong>Die</strong> Herzen<br />

ungeborener Kinder gelten vielfach als Schutzmittel für Räuber<br />

und <strong>Die</strong>be. Sie werden roh, sowie sie dem Leibe der Mutter ent-<br />

rissen waren, gegessen. ^ Berliner Zeitungen vom 13. November<br />

1879 meldeten:<br />

,,In einem Gebüsch im Friedrichshain, gegenüber der Elbinger<br />

Straße, fand man gestern früh um 8 Uhr einen Sarg, dessen Deckel<br />

abgehoben war und in welchem die nur spärlich bekleidete Leiche<br />

eines etwa ein Jahr alten Mädchens lag. <strong>Die</strong> sofort benachrichtigte<br />

Polizei des 51. Reviers konstatierte eine grausige Yerstümmelung<br />

der Leiche: Brust und Leib waren aufgeschnitten und Herz, Leber<br />

und Lunge gewaltsam aus dem Körper gerissen. <strong>Die</strong> sofort ange-<br />

stellten Ermittelungen ergaben, daß das Kind die erst am Mittwoch<br />

der vorigen Woche am Keuchhusten verstorbene, Sonntag begrabene<br />

Emma Schönberg, das Töchterchen des in der Fischerstraße 29<br />

wohnenden Schuhmachermeisters Schönberg. ist. <strong>Die</strong> Bestattung<br />

hatte auf dem katholischen Kirchhof in Weißensee stattgehabt.<br />

Der Chef der Kriminalpolizei , Graf Pückler und der Staatsanwalt<br />

haben alle zur Entdeckung der Thäter führenden Maßregeln selbst<br />

angeordnet.'- Offenbar liegt hier ein ähnlicher Fall vor, wie die<br />

bereits oben gemeldeten. Man sieht also, wie die düstern Anschau-<br />

ungen, die mit ehemaliger Anthopophagie zusammenhängen, bis auf<br />

unsre Tage in der Hauptstadt des deutschen Reichs in niederen<br />

Volksschichten fortbestehen, Anschauungen, denen wir bei ganzen<br />

Völkern im folgenden noch sehr häufig begegnen werden. Ich<br />

nehme, der Parallele wegen, hier einen Fall vorweg.<br />

^ Jahx, Volkssagen aus Pommern. No. 440.<br />

^ Maxxhardt, <strong>Die</strong> praktischen Folgen des Aberglaubens. Berlin 1878. IT ff.<br />

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