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Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

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Mexiko.<br />

gefesselt nahmen die Priester oder ihre Gehilfen sie auf ihre Schul-<br />

tern und führten unter diesem Gewicht verschiedene Tänze um ein<br />

großes Feuerbecken auf. Plötzlich warf man das Opfer in das<br />

lodernde Feuer, ließ es eine Weile schmoren, ergriff es dann noch<br />

lebend mit einem Haken und schleifte es über den Boden weg zum<br />

Opferstein, wo man ihm das Herz herausriß." Bei anderen Ge-<br />

legenheiten baten die Gehilfen, daß die Opferung auf ihrem Rücken,<br />

statt auf dem Steine stattfände, damit sie recht von dem Opfer-<br />

blute überströmt wurden. Sahagun berichtet auch, daß man den<br />

Geopferten häufig die Haut abzog und daß sich damit irgend ein<br />

kräftiger Mann wie mit einer Kleidung bedeckte.<br />

Im Gegensatz zu dieser Barbarei stand die aufmerksame Be-<br />

handlung, welche häufig die zum Abschlachten Bestimmten vor<br />

ihrem Tode erlitten, und so gleich einer demonstratio ad ocidos der<br />

Vergänglichkeit menschlicher Freuden und Lüste erscheint; denn<br />

so kann man die ein Jahr lang dauernde Behandlung des Ge-<br />

fangenen vor seiner Opferung auffassen. Man wählte zu diesem<br />

Zweck einen schönen, jungen Gefangenen von tadelloser Korper-<br />

beschaffenheit und von aufgewecktem Geiste aus. Man lehrte ihn,<br />

berichtet Sahagun, das Flötenspiel, man gewöhnte ihn an das<br />

Rauchen nach Art der Großen und Prinzen, die besten Speisen<br />

wurden ihm vorgesetzt, die schönsten Kleider angelegt und während<br />

der letzten Lebensmonate führte man ihm die schönsten Mädchen<br />

zu. War aber das Freudenjahr abgelaufen, dann fand unwiderruf-<br />

lich seine Opferung statt, nicht in der Hauptstadt Mexiko, sondern<br />

in einer Stadt zweiten Ranges. Er wurde in einem Schiffe über<br />

den See gefahren und in dem Maße, als er dem Bestimmungsorte<br />

sich näherte, entäußerte man ihn seiner Kleidung, bis er zuletzt<br />

nackt anlangte. Am Tage seiner Hinrichtung wurde sofort ein<br />

neuer Gefangener auserwählt, der anstatt des Geopferten nun ein<br />

Jahr lang in Herrlichkeit und Freuden lebte. Oft fanden beim<br />

Opfer auch Tänze statt, an denen man den Gefangenen zwang teil-<br />

zunehmen.<br />

Gewöhnlich waren es Kriegsgefangene, die man den Idolen<br />

opferte; mehrere Gefährten des Beenal Diaz sind so gemordet<br />

worden. Doch kamen auch freiwillige Opferungen vor, wie es denn<br />

sich ereignete, daß sogar hochgestellte Personen ihr Leben den<br />

Göttern darbrachten. Blutopfer der Priester selbst für die Götter<br />

waren nichts ungewöhnliches; sie schnitten sich z. B. die Olii'cn ab<br />

und brachten sie dem Idole dar, oder nahmen Blut von der Zunge,<br />

um das Götzenbild damit zu bestreichen.

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