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Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

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Eskimos. <strong>Die</strong> Tinne. 91<br />

Eskimos. Bei den Eskimos mag wohl gelegentliclie Antliro-<br />

[)()pliagie aus Xot imd Hunger vorkommen, aber vom Kannibalis-<br />

mus aus anderen Beweggründen sind sie freizusprechen. Sie sind<br />

kein ki-iegerisches Volk, das seinen Rachedurst durch das Verzehren<br />

des überwundenen Feindes stillt, wie etwa ihre südlicher lebenden<br />

indianischen Nachbarn, die unter gleichen äußeren Bedingungen (bis<br />

zum Eismeer hin) leben, jedoch kriegerischer und rachdürstiger Natur<br />

sind. Ob aber unter den Eskimos <strong>Anthropophagie</strong> herrschte, läßt<br />

sich jetzt nicht mehr nachweisen. <strong>Die</strong> Anklänge einiger Legenden<br />

in dieser Richtung, sowie die von Eskimos selbst gezeichneten und<br />

ausgeführten Holzschnitte, welche das Menschenfressen darstellen^<br />

erscheinen nicht als genügender Beweis.<br />

Nordamerika. Bei den Indianern Nordamerikas mag in frü-<br />

heren Zeiten die <strong>Anthropophagie</strong> viel weiter verbreitet gewesen sein,<br />

als sie jetzt noch vorhanden ist. In der That war sie zur Zeit der<br />

Entdeckung schon auf ein geringes zusammengeschmolzen. Heute<br />

ist nur wenig von derselben vorhanden, und auf Rachsucht am<br />

Feinde als Beweggrund zurückzuführen, abgesehen von dem durch<br />

Not erzeugten Kannibalismus. So systematisch wie in Mexiko oder<br />

weit ausgedehnt wie bei deji Jagdnomaden der Südhälfte des Kon-<br />

tinents scheint die <strong>Anthropophagie</strong> im Norden überhaupt nie ver-<br />

treten gewesen zu sein.<br />

Für das Vorkommen der <strong>Anthropophagie</strong> in den Hudsonsbai-<br />

Ländern bei den dortigen Indianern haben wir das Zeugnis des<br />

heldenmütigen Samuel Heaene, der auf sehi- beschwerlichen, an<br />

Entbehrungen überreichen Reisen 1770— 1771 von Fort Churchill<br />

an der Hudsonsbai bis zur Mündung des von ihm entdeckten<br />

Kupferminenflusses in das Eismeer vordrang. Er berichtet^: „<strong>Die</strong>-<br />

jenigen, welche mit der Geschichte der Hudsonsbai bekannt sind,<br />

und das Elend kennen, welches die Bewohner dieser Gegenden<br />

häufig erfahren, werden darin nur die alltäglichen Begebenheiten<br />

des Lebens der Wilden finden, die nicht selten durch die Not gezwungen<br />

werden, einander zu verzehren. <strong>Die</strong> südlichen Wilden —<br />

es sind die Tinn6völker gemeint — haben über diesen Punkt die<br />

sonderbare Meinung, daß sobald einer ihres Stammes, durch Not<br />

gedrungen, MenschenÜeisch genossen hat, bekommt er davon einen<br />

* Antbropological Keview. HI. 145 (1865).<br />

^ Samuel Hearnes Tagebuch seiner Reise von Fort Prinz Wallis in der<br />

Huclsonsbai nach dem nördlichen AVeltmcer. In „Auswahl der Nachrichten<br />

zur Aufklärung der Völker- imd Länderkunde" von M. C. Sprengel. Halle<br />

1797. VII. 126.

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