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Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

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Queensland.<br />

Ein Gutsbesitzer am obern Mary River (nördlicb von Brisbane,<br />

Queensland), giebt höcbst eingebende auf SelbstbetracLtung gegrün-<br />

dete Schilderungen des merkwürdigen Gebrauches, wie die Schwarzen<br />

den Toten die Haut abziehen, die Knochen vom Fleisch befreien<br />

und beides zu abergläubigen Zwecken bewahren. In seiner Gegen-<br />

wart schämte man sich indessen auch das schon geröstete Fleisch<br />

zu verzehren. Er fügt aber seinem Bericht hinzu: „Ich fühle mich<br />

verpflichtet es auszusprechen, daß die Eingeborenen das Fleisch<br />

ihrer verstorbenen Freunde verzehren und indem sie das thun,<br />

glauben sie fest, daß sie sich damit eine Wohlthat erweisen und<br />

den Toten ehren. Sie verzehren es nicht etwa, weil sie nach dem-<br />

selben lüstern wären; doch ist dem früher so gewesen, und noch<br />

vor einigen Jahren schmausten die alten Männer mit großem Appe-<br />

tit das gut geröstete Fleisch junger Frauen. Infolge des Verkehrs<br />

mit den Weißen geschieht das aber nicht mehr häufig und man<br />

begräbt oftmals auch Frauen und Kinder uuzerstückelt, aber die<br />

Männer, insbesondere die Häuptlinge, werden auch jetzt (1871) noch<br />

verzehrt. Es ist mir mitgeteilt worden, daß noch ganz vor kurzem<br />

alte abgemagerte Männer, deren Fleisch gewiß nicht saftig war, ge-<br />

wissenhaft gefressen worden sind. Wenn man das Fleisch eines<br />

Menschen genießt, gewinnt man dadurch die Kraft und die guten<br />

Eigenschaften, welche derselbe gehabt hat. Das ist Wahnglaube." ^<br />

Auch die Schwarzen im nördlichen Queensland machen kein<br />

Geheimnis daraus, daß sie Menschenlleisch verzehren; doch scheint<br />

es, daß sie mehr aus gewissen Traditionen als aus Nahrungs-<br />

bedürfnis Anthropophagen sind. <strong>Die</strong> meisten Schwarzen werden<br />

begraben, ohne gefressen zu werden. Auch an der Wide Bay Aver-<br />

den diejenigen, die man verzehrt, vorher abgehäutet. <strong>Die</strong> Haut<br />

wird um ein Bündel Speere gewickelt, so, daß das Haar auf die<br />

Si^itzen zu stehen kommt. <strong>Die</strong> Fingernägel läßt man an der Haut<br />

sitzen. <strong>Die</strong> Reliquie wird von Lager zu Lager geschleppt und in<br />

jedem aufgestellt, wo sich die Trauerweiber um dieselbe versammeln<br />

und sich mit Beilen Einschnitte beibringen. Am Carpentariagolf<br />

verzehrt man die im Gefecht Gebliebenen. Sterben sie infolge der<br />

Wunden Abends oder in der Nacht, so kocht man sie am Morgen.<br />

Ein großes Loch wird im Boden ausgehöhlt und der Leichnam wird<br />

in einem Stück gekocht, wozu drei bis vier Stunden nötig sind.<br />

<strong>Die</strong> Weichteile werden nicht gegessen, sondern herausgenommen<br />

und begraben. Am Golf häutet man die Toten nicht, ehe man sie<br />

' Journal of tlie Authropological Institute. II. 179 (1873).<br />

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