Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie
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Fidschi-Inseln. Sandwich-Inseln. 63<br />
Indessen haben wir doch gesehen, daß außer der reinen Goiir-<br />
mandise, welche allerdings bei den Fidschi-Insulanern in Bezug auf<br />
Menscheufieisch nicht geleugnet werden kann, noch anderweitige<br />
Beweggründe der <strong>Anthropophagie</strong> auf diesen Inseln herrschte. Auch<br />
Erskine^ l)erichtet, daß die erschlagenen Feinde den Göttern ge-<br />
weiht wurden, bevor man sie fraß.<br />
<strong>Die</strong> Weihung der zu Fressenden den Göttern, das Tabu, welches<br />
dabei über manche Gegenstände ausgesprochen war, beweisen den<br />
ursprünglich religiösen Beweggrund der <strong>Anthropophagie</strong>, wozu dann<br />
noch Rachsucht sich gegen den erschlagenen Feind gesellt, die<br />
schließlich in Feinschmeckerei und gewohnheitsmäßigen Menschen-<br />
fleischgenuß überging. So haben wir eine völlige Skala.<br />
Ein furchtbarer Ausbruch des Kannibalismus, der wie eine<br />
Seuche ganze Distrikte erfaßte und an dem auch bereits ,.bekehrte"<br />
Stämme Teil nahmen, fand im Jahre 1873 statt. Besonders waren<br />
die Kannibalen, die Alles mordeten und fraßen, was ihnen unter<br />
die Hände kam, darauf erpicht, ,. einen Jehovapriester zu fressen'*,<br />
was ihnen indessen nicht gelang. <strong>Die</strong> Einzelheiten schildert der<br />
zu ßewa angesessene Missionar A. J. Webb.^<br />
Sandwich-Inseln. In Melanesien, wo die <strong>Anthropophagie</strong><br />
bis auf unsere Tage herrscht, scheint dieselbe den Höhepunkt er-<br />
reicht zu haben; in Polynesien dagegen ist sie heute bis auf geringe<br />
Reste verschwunden. Der Einfluß der Missionare hat hier durch-<br />
greifend gewirkt, er konnte dieses um so mehr, als bereits im ver-<br />
flossenen Jahrhundert die Entdecker jene Unsitte im Absterben<br />
begriffen sahen. Daß sie aber einst allgemein über Polynesien ver-<br />
breitet war, darf nicht bezweifelt werden.<br />
Da Gerland eine sehr große Anzahl von Belegstellen für den<br />
Kannibalismus der Polynesier zusammengestellt hat^, so können wir<br />
uns hier etwas kürzer fassen.<br />
Auf den Hawaiischen Inseln war wohl schon zu Cooks Zeiten<br />
die Menschenfresserei in der Abnahme begriffen, ja man schämte<br />
sich derselben. Daß Teile von Cooks Leichnam selbst verzehrt<br />
worden seien, wie wohl angegeben wurde, ist noch neuerdings von<br />
Dr. WiNSLOW eingehend widerlegt worden, der überhaupt die Sand-<br />
wich-Insulaner von der <strong>Anthropophagie</strong> freisprechen möchte.'* Letz-<br />
teres ist indessen ein vergebliches Beginnen, indem, nach Forster,<br />
'<br />
A. a. O. 2G1.<br />
^ The illustrated Missionary News. 1. Dezember 1873.<br />
^ Waitz, Anthropologie. \L lüTff.<br />
* Xatnre, 10. Juli 1873. Vol. VIII. 211.