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Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

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Überlebsel im Volksglauben.<br />

Deren er zween anpackt, und wie junge Hund' auf den Boden<br />

Schmettert: blutig entspritzt ihr Gehirn und netzte die Erde.<br />

Dann zerstückt' er sie Glied vor Glied, und tischte den Schmaus auf,<br />

Schluckte drein, wie ein Leu des Felsengebirgs, und verschmähte<br />

Weder Eingeweide, noch Fleisch, noch die niarkichten Knochen.<br />

Tantalus, der am Tische der Götter speisen durfte, suchte<br />

deren Allwissenheit zu prüfen, indem er ihnen das Fleisch seines<br />

w'egen Blutschande zerstückelten Sohnes Pelops vorsetzt. Nur<br />

Demeter ißt aus Versehen von der Schulter, während die ührigen<br />

Götter die Speise erkennen. Atreus tötet die beiden Söhne des<br />

Thyestes, läßt die zerstückelten Leichname teils kochen, teils<br />

braten und setzt dem Vater beim Gastmahle das Fleisch zu essen,<br />

das Blut unter den Wein gemischt zum Trinken vor. Und so öfter.<br />

Sehi- reich an Beziehungen zur <strong>Anthropophagie</strong> ist das Gebiet<br />

dessen, was wir heute unter der Bezeichnung „Folklore'' zusam-<br />

menfassen. Jedoch kann dieses Kapitel nicht eingehend hier be-<br />

handelt werden, da der Schwerpunkt meiner Arbeit auf ethnogra-<br />

phischem Gebiete liegt; aber zeigen läßt sich, daß in der Volks-<br />

litteratur die wesentlichen Gesichtspunkte, welche bei der Anthropo-<br />

phagie in Betracht kommen, von dem rohen, sättigenden Genuß des<br />

Menschenfleisches, also der rein materiellen Seite, bis zu den damit<br />

verkniq^ften verfeinerten abergläubigen Wahnvorstellungen vorhan-<br />

den sind.<br />

Der wilde Jäger oder Wod jagt und erlegt (in den pomnier-<br />

schen Sagen) ein paar Frauenzimmer und wirft denen, die ihm bei<br />

der Jagd behilflich waren, als Speise und Belohnung ein Frauen-<br />

bein zu. „Hast mit Jacht, käst uk mit frete.'"' ^ So verlangt der<br />

wendische Bauer von Dissenchen in der Lausitz im Übermut vom<br />

Nachtjäger die Hälfte des Jagdertrags. Da bekommt er die Hälfte<br />

eines Menschen. ^ Als die Hexen in Swinemünde hungrig waren,<br />

sagte die eine zur anderen: Drüben unsere Nachbarin liegt in den<br />

Wochen, da wollen wir ihr Kind holen und es schlachten.^<br />

Nach dem altertümlichen serbischen Volksglauben fressen die<br />

Hexen das Herz aus dem Leibe des Menschen. Li einem Liede^<br />

ruft ein Hirtenknabe, den seine Schwester nicht erwecken kann:<br />

Hexen haben mich ausgegessen, Mutter nahm mir das Herz, Base<br />

leuchtete ihr. Daß der nämliche Wahn unter den alten Deutschen<br />

^ Jahn, Volkssagen aus Pommern. No. 19 und 21.<br />

^ Veckenstedt, Wendische Sagen. Graz 1880. 43.<br />

^ Kuhn und Schwaetz, Norddeutsche Sagen. No. 32.<br />

* Vuk. Nr. 363.

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