27.02.2013 Aufrufe

Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

88 <strong>Die</strong> Botokudcn.<br />

SO daß sich alle an einem einzigen Neger, den sie brateten, satt<br />

aßen; von anderen schnitten sie Arme und Beine ab und nahmen<br />

sie als Lebensvorrat mit sich. <strong>Die</strong> getöteten Weißen hatten sie alle<br />

liegen lassen, aber alle Teile des Körpers (juerüber eingeschnitten,<br />

so ungefähr, wie man Fische zuzubereiten pflegt, wenn man sie<br />

einsalzen will. Den Getöteten saugen sie zuerst das Blut aus und<br />

dieses scheint ihnen das leckerste zu sein. Überhaupt hat man<br />

aber bemerkt, daß, sobald sie Negertieisch haben, sie das Fleisch<br />

der Weißen nicht achten. Bei großem Überflüsse schneiden sie den<br />

Negern auch nur die Waden und das Inwendige der Hände aus,<br />

welches wahre Leckerbissen sein sollen.'' ^<br />

Prinz Maximilian zu Wieb, der 1815— 1817 das Land am Rio<br />

Doce und Mucury durchstreifte, brachte unzweifelhafte Beweise der<br />

<strong>Anthropophagie</strong> der Botokuden mit. „Sie schälen das Fleisch vom<br />

Körper ihrer Feinde ab, kochen es in ihren Töpfen oder braten es<br />

den Kopf stecken sie auf einen Pfahl." Neuwied hel)t hervor, daß<br />

die Botokuden keineswegs aus Wohlgeschmack am Menschenfleisch<br />

zu Kannibalen geworden sind, dagegen spräche, daß sie einzelne<br />

Gefangene am Leben lassen; nur wilde Rachgierde treibe sie zu<br />

der schauderhaften Sitte. ^<br />

Bei J. J. V. TscHUDi, der die Botokuden am Mucury besuchte,<br />

erscheint die <strong>Anthropophagie</strong> dieses Volkes nicht in so grau-<br />

sigem Lichte wie bei v. Eschwege. „<strong>Die</strong> Botokuden,'' sagt er,<br />

,,werden zu den Anthropophagen gezählt und sie sind in der That<br />

Menschenfresser, aber nicht in der grausam blutdürstigen Bedeutung,<br />

die man gewöhnlich mit diesem Begrift" verbindet, sondern bloß aus<br />

unersättlichem Heißhunger und aus Rache. Ich glaube nicht, daß<br />

sie einen Feind erschlagen, um ihn zu fressen, sondern daß sie<br />

einen erschlagenen Feind auffressen, weil er ihnen gerade wie ge-<br />

legen und bequem Nahrung darliictet und sie überhaupt alles<br />

fressen, Avas sie nur verdauen können. Das Verzehren der<br />

Fcindesleichen war und ist meistens in erster Linie eine Folge des<br />

heftigen Dranges den Hunger zu stillen, dann aber mag auch eine<br />

Befriedigung des Rachedurstes dazu kommen und in diesem Falle<br />

werden nur gewisse Körperteile des getöteten Gegners als Lecker-<br />

bissen dem Siegesmahle beigefügt. Auffallenderweise sucht jeder<br />

Stamm den Vorwurf dieser scheußlichen Sitte von sich ab und auf<br />

* W. C. v. EscHWEOE, Journal von Brasilion. Weimar 181-8. 80.<br />

'• Maximilian Prinz zu Neuwied, Reise nach Brasilien. Frankfurt a. M.<br />

1821. IL 49. 50.<br />

;

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!