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Die Anthropophagie. Eine ethnographische Studie

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Mexiko.<br />

<strong>Die</strong> Leichname der Geopferten wurden auf bestimmte Art ver-<br />

teilt und verzehrt. Sobald das Herz dem Gotte und das Blut den<br />

Tempelpriestern verteilt war, warf man den Kadaver auf die Stufen<br />

des Gebäudes. Hier wurde er von Priestern zerstückelt und unter<br />

die Anwesenden verteilt; war viel Menschentleisch vorhanden, so<br />

wurden die nicht gleich zur VerAvendung gelangenden Überreste<br />

eingesalzen oder getrocknet, wie Beenal Diaz Aviederholt versichert.<br />

Bei den Mexikanern war es außerdem ein Zeichen des Sieges,<br />

wenn sie ihren toten Feind verzehrten. Zu den Spaniern sagten<br />

sie: „bald werden wir euch verschmausen". Aber außerdem war<br />

das Verzehren von Menschentleisch bei ihnen auch Sache der<br />

Leckerei, denn bei großen Tafeln durfte es nicht fehlen. Beenal<br />

Diaz erwähnt auch die Käfige aus Holz, in welchem die zur Opfe-<br />

rung bestimmten Sklaven eingeschlossen waren; man nährte sie<br />

gut, damit sie der Tafel ihres Herrn keine Schande machten.<br />

<strong>Die</strong>ser selbst, der die Sklaven gewissermaßen als seine Kinder be-<br />

trachtete, aß jedoch nicht von ihrem Fleisch, das seine Freunde<br />

verzehrten. Hervorzuheben ist, daß die Mexikaner nur von dem<br />

Fleische rituell Geopferter aßen — kein anderes Menschenfleisch,<br />

abgesehen von demjenigen der im Kriege erschlagenen Feinde. Bei<br />

der Belagerung Mexikos durch Coetez herrschte die größte Hun-<br />

gersnot, die zum Verzelu-en der Baumwurzeln zwang, aber die zahl-<br />

reichen Leichen in der Stadt blieben von den Belagerten unbe-<br />

rührt. Damit stimmt denn allerdings nicht, wenn Sandoval auf<br />

seinem Zuge gegen die Otomi fand, daß deren Krieger „Mais und<br />

gebratene Kinder als Proviant mit sich führten''.^<br />

<strong>Die</strong> <strong>Anthropophagie</strong> verbreitete sich in Mexiko auch über die<br />

Nebenstämme des Landes aus, in einer Form, Avelche religiösen<br />

Beigeschmack hat. Nach Mendieta töteten nämlich die in der<br />

Gegend des heutigen Veracruz wohnenden Totonaken alle drei Jahr<br />

einige Kinder, deren Herzblut mit Ullisaft (von Cassidea elastica)<br />

und gewissen Kräutern zu einem Teig gemischt wurde, der für<br />

heilig galt und Toyolliaytlaqual hieß. <strong>Die</strong>se Speise mußten alle<br />

sechs Monate die Männer, welche über 25, die Frauen, welche über<br />

16 Jahre alt waren, genießen. Welchen Zweck damit die Poto-<br />

naken verbanden, giebt IVIendieta nicht an.^<br />

Man darf Yukatan nicht ausschließen, wenn von der Anthro-<br />

» Drei Berichte von F. Coetez an Karl V. Deutsch. Berlin 1834. 337.<br />

^ Fkay Geronimo de Mendieta. Ed. Icazbalceta. Mexico. Lib. II. cap. 16.<br />

19 und H. Strebel, Alt-Mexiko. 12.<br />

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